Zurück auf Start

24.06.2009
Jede Menge Unbekannte im Pipeline-Monopoly zwischen Zentralasien und Europa

Die Realisierung der europäischen Nabucco-Gaspipeline bleibt ungewiß. Nachdem vergangenen Winter energiepolitische Auseinandersetzungen zwischen der Ukraine und Rußland zur mehrwöchigen Lieferausfällen in Teilen Mittel­osteuropas führten, erhielten in Brüssel die Bestrebungen zur Diversifizierung der Gasversorgung neuen Auftrieb. Verstärkte diplomatische Bemühungen und verbindliche Finanzierungszusagen von 250 Millionen Euro sollten den Baubeginn dieser Leitung, die Erdgas über Aserbaidschan, Georgien und die Türkei nach Europa befördern soll, schon 2010 ermöglichen.

Doch der Schwung der ersten Monate ist längst verflogen. Am 18. Juni wurde publik, daß die türkische Regierung kurzzeitig die Unterzeichnung eines entsprechenden multilateralen Vertrages über das zehn Milliarden US-Dollar schwere Projekt abgesagt hat. Ankara besteht immer noch darauf, einen Teil des durch sein Territorium fließenden Erdgases für den Eigenverbrauch abzweigen zu dürfen.

Allerdings stellt die sture Verhandlungshaltung der Türkei nicht das größte Hindernis für dieses ambitionierte Projekt dar. Trotz größter Bemühungen und einiger Teilerfolge konnten keine umfangreichen Lieferzusagen der erdgasreichen zentralasiatischen Staaten vom Nabucco-Konsortium gesichert werden. Turkmenistan, Kasachstan und Usbekistan verkaufen ihr Erdgas an Rußland, zudem wird binnen der nächsten Monate China eine zentral­asiatische Pipeline fertiggestellt haben. Dem deutschen Konzern RWE gelang es zwar, an der Erschließung neuer Erdgaslagerstätten in Turkmenistan beteiligt zu werden – doch die Verpflichtung verbindlicher Erdgaslieferungen, die auch noch über das Kaspische Meer befördert werden müßten, ging Turkmenistan bislang gegenüber Nabucco nicht ein.

Vorerst gescheitert ist auch der Versuch, kurdisches Erdgas aus dem Norden Iraks der Nabucco-Pipeline zuzuführen. Die irakische Regierung protestierte energisch gegen dieses Projekt. Bagdad befürchtet, die Deviseneinnahmen aus dem Gasverkauf könnten den kurdischen Unabhängigkeitsbemühungen neuen Auftrieb verleihen. Aus einer ähnlichen Motivlage heraus verweigerte sich auch die türkische Regierung diesem Ansinnen des Konsortiums. Jährliche Lieferzusagen von 31 Milliarden Kubikmeter Erdgas müßten die Europäer sicherstellen, um die Förderkapazität ihrer Pipeline auslasten zu können.

Einer Belieferung der Nabucco-Pipeline aus dem Iran stellt sich wiederum Washington entgegen. Iran könne »an diesem von der Europäischen Union unterstützten Projekt teilnehmen, wenn die Vereinigten Staaten ihre Beziehungen mit dem Iran normalisieren«, erklärte Anfang Juni der Sondergesandte des US-amerikanischen Außenministeriums für »Eurasische Energiefragen«, Richard L. Morningstar. Angesichts der derzeitigen Spannungen im Iran scheint diese Option zumindest kurzfristig nicht mehr realisierbar.

Schließlich sieht sich Nabucco einer verstärkten russischen Konkurrenz in Gestalt des South-Stream-Pipeline gegenüber, die, auf dem Boden des Schwarzen Meeres, verlaufend Rußland und Bulgarien verbinden soll. Im vergangenen Mai machten Gasprom und der ebenfalls an dem Projekt beteiligte italienische Energieversorger ENI publik, die Förderkapazität ihrer Gaspipeline auf 63 Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich zu erhöhen. Der einzige Grund für diese Erweiterung sei die Absicht, »Nabucco zu killen«, hieß es aus den Umfeld des europäischen Konsortiums gegenüber Medien. In US-amerikanischen Zeitungen tauchten denn auch bereits erste Spekulationen über eine Einstellung dieses europäischen Pipelineprojekts auf. Die US-Wochenzeitung Newsweek kommentierte, die Unterstützer Nabuccos seien gezwungen, »zurück ans Zeichenbrett zu gehen«, da es wenig Sinn mache, »eine teure neue Pipeline zu bauen, wenn es zu wenig Gas« gebe, um diese auszulasten.

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