„Junge Welt“, 03.03.2008
Rumänien legt auf Druck der EU milliardenschweres »Sparpaket« auf. Euro soll 2014 unbedingt als Landeswährung eingeführt werden
Rumäniens Bürger müssen sich darauf einstellen, künftig den Gürtel ganz eng schnallen zu müssen. Ende Januar warnte Joaquin Almunia, der europäische Kommissar für Wirtschaft und Währung, die rumänische Regierung vor dem wachsenden Haushaltsdefizit des EU-Neumitglieds, das »ein ernsthaftes Problem« darstelle. Das Land brauche »ambitionierte Haushaltsziele«, um nicht gegen die Regeln des Pakts für Stabilität und Wachstum zu verstoßen, monierte Almunia. Der Brüssler Kommissar verschärfte somit seine Warnungen, die er bereits seit einem halben Jahr sporadisch in Richtung Bukarest schickt. Unterstützt wird Almunia hierbei vom Internationalen Währungsfonds (IWF), der seit 2007 der rumänischen Regierung vorwirft, bei der Einschätzung der Haushaltseinnahmen und Ausgaben »zu optimistisch« zu sein.
Hohe Inflationsrate
Seine harsche Kritik formulierte der spanische EU-Bürokrat anläßlich einer turnusmäßigen Sitzung zur Überwachung des rumänischen EU-Konvergenzprogramms. Mit ihm soll sichergestellt werden, daß das Land die vorgegebenen Stabilitätskriterien einhält. Um den Euro wie geplant 2014 einführen zu können, muß Bukarest sein Haushaltsdefizit unter drei Prozent des Bruttosozialprodukts drücken und die Inflation im Zaum halten. Im letzten Jahr wies der rumänische Haushalt ein Defizit von gerade mal 2,4 Prozent aus, und für 2008 sind 2,7 Prozent angepeilt. Die EU-Kommission behauptet aber, daß die Statistiken des Balkanlandes geschönt seien und kommt bei ihren eigenen Berechnungen für 2007 auf ein Minus von 2,6 bis 2,7 Prozent. Für 2008 würden laut Kommission die Konvergenzkriterien durch ein Haushaltsdefizit von ca. 3,2 Prozent verletzt, sollte Bukarest keine einschneidenden Maßnahmen einleiten.
Das Ziel, der Euro-Zone 2014 beizutreten, ist nach Ansicht des Vorsitzenden der rumänischen Zentralbank, Mugur Isarescu, auch durch die ausufernde Geldentwertung ernsthaft gefährdet: »Ohne eine dauerhafte Reduzierung der Inflation in 2008 und 2009 wird die Euro-Einführung in 2014 nicht erreichbar sein.« Die rumänische Regierung geht von Preissteigerungsraten zwischen 2,8 und 4,8 Prozent in diesem, und zwischen 2,5 und 4,5 Prozent im kommenden Jahr aus. Diese Vorgaben aber sind unrealistisch. Im Dezember betrug die Teuerungsrate 5,9 Prozent, während die Zentralbank für den kommenden März sogar von einem massiven Inflationsschub von 8,3 Prozent ausgeht.
Obwohl diese Teuerung in Rumänien wie auch in anderen Ländern hauptsächlich durch die Preisexplosion bei Energieträgern und Nahrungsmitteln befeuert wird, machen EU-Bürokraten und westliche Wirtschaftsvertreter die »laxe Haltung« der rumänischen Regierung in Finanzfragen hierfür verantwortlich. Bukarest sei von »internationalen Beobachtern« wiederholt dafür gescholten worden, den »Konsum nicht unter Kontrolle gebracht« zu haben, der die »Wirtschaft überhitze«, meldete der britische Guardian. Die rumänische Wirtschaft wuchs im vergangenen Jahr um sechs Prozent, was nicht gerade auf eine »Überhitzung« schließen läßt.
Weitaus gravierender ist das Leistungs- und Handelsbilanzdefizit, das den Chefökonomen der rumänischen Nationalbank, Valentin Lazea, zu dem Appell an seine Mitbürger animierte, weniger ausländische Lebensmittel und Autos zu kaufen. Nach Ansicht Lazeas könnte Rumänien auch »ohne diese Importe überleben«, die für einen Großteil der schlechten Bilanz verantwortlich seien. Vielleicht wird es dies auch bald müssen, denn das Handelsmanko des südosteuropäischen Landes beträgt satte 14,3 Milliarden Euro, während das Zahlungsbilanzdefizit auf 11,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, also 13,34 Milliarden Euro, anstieg.
Kurswandel der Regierung
Die ausländischen Direktinvestitionen zwischen Transsilvanien und dem Banat entsprachen 2007 nur noch 42 Prozent des rumänischen Handelsdefizits, während sie 2006 noch 91 Prozent erreichten. Finanziert wird dieser Konsumrausch vor allem durch Privatkredite, die Lazea zufolge 2007 ein »unhaltbares Wachstum« von 134 Prozent gegenüber dem Vorjahr aufwiesen.
Diese Konsumparty wird aber nun ein jähes Ende finden, da die rumänische Regierung trotz bald anstehender Wahlen dem Druck Brüssels nachgab und ihre Ausgaben »drastisch beschneiden« werde, wie rumänische Medien berichteten. So habe Premier Popescu Tariceanu seinen noch im Januar bekräftigten Standpunkt geändert, wonach er die »europäischen Warnungen« vor der Staatsverschuldung nicht berücksichtigen werde, meldete die Nachrichtenagentur Hotnews. Unter dem Druck der Europäischen Kommission und der rumänischen Zentralbank soll nun ein »Sparpaket« in Höhe von umgerechnet einer Milliarde Euro geschnürt werden, um das Haushaltsdefizit wie auch die Inflation einzudämmen. Die Details sind noch nicht bekannt, doch es wird erwartet, daß in erster Linie die Überbleibsel des rumänischen Sozialsystems von Kürzungen getroffen werden. Bei einem Treffen mit Zentralbankchef Isarescu versicherte Tariceanu diesem auch, dem »Druck auf die Regierung standzuhalten, die Löhne und Pensionen zu erhöhen«, wie die Nachrichtenagentur AP berichtete.