Wo man hinschaut – Saubermänner

„Junge Welt“, 15.09.2007
Wahlkampf in Polen: Kaczynski-Partei gewinnt an Popularität. Neoliberale Transformation der Sozialdemokraten

Polens rechtskonservative Regierungspartei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS) vertraut zum Wahlkampfauftakt auf bewährte Themen. Ihr neuester Fernsehspot soll eine Prise Hollywood in polnische Wohnzimmer zaubern: Finstere Oligarchen schmieren Regierung wie auch Opposition, um lukrative Aufträge an Land zu ziehen. So sah es laut dem Spot »noch vor kurzem« in Polen aus, bevor die Kaczynski-Zwillinge und ihre PiS in Polen aufgeräumt hätten. Die Wähler hätten es am 21. Oktober selbst in der Hand, ob das »System« wieder an die Macht gelangt, so die Werbung. Laut Jaroslaw Kaczynski bedrohe eine große Konzentration von Geld in den Händen einiger weniger Menschen die Freiheit, nur die PiS könne dem Entgegenwirken und das »solidarische Polen« aufbauen.

Neben dieser altbewährten sozialen Demagogie verlassen sich die Konservativen auf die ebenfalls routinierte antikommunistische Hetze, der ausgerechnet die neoliberal deformierte sozialdemokratische »Vereinigung der Demokratischen Linken« (SLD) zum Opfer fällt. Die PiS erklärte die polnischen Sozialdemokraten, die diesmal Konsequenz beweisen und mit der offen wirtschaftsliberalen »Demokratischen Partei« als »Linke und Demokraten« (LiD) antreten, zu ihrem Hauptgegner beim kommenden Urnengang. Eine Steilvorlage lieferte der ehemalige sozialdemokratische Präsident Alexander Kwasniewski, der in einem Interview mit Vanity Fair der deutschen Regierung nahelegte, im Fall eines erneuten Wahlsieges der PiS ihre vermeintliche »Zurückhaltung« gegenüber Polen zu überdenken. Umgehend stellten PiS-Politiker diese Aussage in die Nähe eines Landesverrats, der beliebte Sozialdemokrat mußte sich von seinen Äußerungen distanzieren.

Die außenpolitisch auf eine Wiederannäherung an Deutschland und eine stärkere EU-Integration setzenden Sozialdemokraten vollendeten im aktuellen Wahlprogramm ihre neoliberale Transformation. Das neue Programm sei ein Sammelsurium leerer Parolen über die »Bürgergesellschaft« und »europäische Werte«, heißt es im linken Internetportal lewica.pl. Während kein einziges Postulat der Sozialdemokraten die schwachen polnischen Gewerkschaften zu stärken trachtet, fänden sich in dem Programm Unmengen von Ideen, mit denen »das harte Los der Unternehmer gemildert werden soll«, so der ironische Kommentar.

Die mit der medial massiv unterstützten Splitterpartei der »Demokraten« verbündete SLD kritisiert in ihrem neuen Programm die Kaczynskis dafür, daß sie »ein zu langsames Tempo bei der Privatisierung« eingeschlagen hätten. De facto macht sich die SLD mit dieser konsequent neoliberalen Linie überflüssig. Denn mit der Bürgerplattform (PO) kann sich Polen einer Partei rühmen, die man getrost als die Taliban des Wirtschaftsliberalismus bezeichnen kann. Die PO verlor den letzten Wahlkampf unter anderem mit der Forderung nach einer totalen Einheitssteuer von 15 Prozent bei allen Steuerarten und Einkommen. Doch haben die turboliberalen um Donald Tusk aus ihren Fehlern gelernt und präsentieren sich als eine weitere Partei der Saubermänner, die diesmal mit der Korruption und dem Filz der PiS-Regierung aufräumen will. Man wolle das »oligarchische System« der PiS zerschlagen, so die Ankündigung etlicher PO-Politiker.

Laut der neuesten Umfrage für die Zeitung Rzeczpospolita liegen die PiS mit 29 und die PO mit 31 Prozent Wäh­lerzuspruch nahezu gleichauf, während die LiD nach den Äußerungen Kwasniewskis auf gerade mal acht Prozent der Stimmen rechnen kann. Alle anderen Parteien befinden sich derzeit unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde.

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