„Junge Welt“, 03.08.2007
Tbilissi intensiviert Zusammenarbeit mit westlichem Militärbündnis. Kandidatenstatus ab 2008 angestrebt. Kommunisten kündigen Ausweitung der Proteste an
Etliche Mitglieder der Vereinigten Kommunistischen Partei Georgiens (SEKP) hielten am Montag vor dem Verbindungsbüro der NATO in der Landeshauptstadt Tbilissi eine Protestkundgebung ab. Die Kommunisten demonstrierten gegen den von der georgischen Regierung angestrebten Beitritt der südkaukasischen Republik zur westlichen Militärallianz. Während der unter dem Motto »Georgien ohne NATO« abgehaltenen Kundgebung nötigten die Demonstranten das NATO-Personal, eine Protestnote anzunehmen, und kündigten die Ausdehnung des Widerstandes auf das ganze Land an.
Die SEKP wird alle Hände voll zu tun haben, denn die NATO-Beitrittsbestrebungen der georgischen Führung gewannen in letzter Zeit an Fahrt. Bis zum 20. Juli fand in Georgien ein im Rahmen der NATO-Programms »Partnerschaft für der Frieden« organisiertes Luftwaffenmanöver statt, an dem fünf Staaten des Militärbündnisses und acht sogenannte Partnerländer teilnahmen. An der Übung, bei der offiziell Luftoperationen zur »humanitären Hilfe« trainiert wurden, beteiligten sich u. a. Deutschland, Bulgarien, die Türkei und die USA, sowie deren »Partner« Albanien, Aserbaidschan, Kroatien, Ukraine und eben Georgien.
Im Vorfeld dieses Manövers machte am 9. Juli der bulgarische Außenminister Ivailo Kalfin klar, wohin die Reise für Georgien gehen soll. Man werde Tbilissi bei seinem »Weg in die NATO und die Europäische Union« unterstützen, so Kalfin während eines Treffens mit seinem georgischen Amtskollegen Gela Bezhuaschwili. Zudem war Kalfin der Ansicht, daß man die abtrünnigen georgischen Territorien Abchasien und Südossetien niemals so behandeln könne wie das Kosovo, da dieses ein »Einzelfall« sei. Tbilissi ist immer noch bestrebt, die Kontrolle über diese von Rußland unterstützten ehemaligen Teilrepubliken zu erlangen, die sich im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion von Georgien abspalteten.
Wie am Donnerstag publik wurde, scheint die Republik bei der Rückgewinnung der ehemaligen Territorien vor allem auf Gewalt setzen zu wollen. Laut einem Bericht des Stockholmer »International Peace Research Institute« (Internationales Friedensforschungszentrum) weist Georgien zur Zeit die weltweit höchste Wachstumsrate bei den Militärausgaben auf. Der Verteidigungshaushalt des verarmten Landes wurde im Juni 2007 auf 569 Millionen US-Dollar erhöht, was einer Verdopplung innerhalb von nur zwei Jahren gleichkommt. Laut den Stockholmer Friedensforschern steigen die Militäraufwendungen der südkaukasischen Republik 40mal schneller als ihr Bruttosozialprodukt.
Eventuelle Zweifel innerhalb der NATO, ob man wirklich in ein Krisengebiet expandieren solle, will Tbilissi mit einem verstärkten Engagement bei der Okkupation des Irak zerstreuen. Am 22. Juli entsandte Präsident Michail Saakaschwili weitere 1200 Soldaten in den Irak, die das Besatzerkontingent Georgiens im Zweistromland auf über 2000 Mann erhöhen. Die georgischen Soldaten, die einen für Landesverhältnisse »traumhaften« Sold von 1100 US-Dollar monatlich erhalten, werden hauptsächlich in Bakuba und Bagdad eingesetzt. Die neu verlegte Brigade soll hingegen an der Grenze zum Iran patrouillieren. Man hoffe darauf, schon 2008 den Status eines NATO-Beitrittskandidaten zu erlangen, verkündete Saakaschwili kurz vor der Truppenverlegung.