Tauwetter in Turkmenistan

„Junge Welt“ vom 10.02.07
Am Ausgang der Präsidentschaftswahl vom Sonntag hegen Beobachter keine Zweifel

Der Sieger der für Sonntag angesetzten Präsidentschaftswahl in Turkmenistan scheint schon festzustehen. Nach Ansicht von in- und ausländischen Beobachtern wird der derzeitige Interimspräsident Gurbanguly Berdymuchammedow den Wahlgang deutlich für sich entscheiden. Berdymuchammedow galt als einer der engsten Berater des im Dezember verstorbenen Präsidenten Saparmurad Nijasow, in dessen Kabinett er die Posten des Gesundheitsministers und des Vizepremiers einnahm.

Alle Mitbewerber um die Präsidentschaft stammen aus der zweiten oder dritten Reihe der einzigen im Land zugelassenen Partei, der Demokratischen Partei Turkmenistans. Folglich sind diese Herausforderer Berdymuchammedows in der turkmenischen Öffentlichkeit auch kaum bekannt. Dennoch scheint im Zuge des Wahlkampfs ein zumindest zeitweiliges, gesellschaftliches Tauwetter eingesetzt zu haben, da die endlosen Lobeshymnen auf »Turkmenbaschi« in den Medien einer teilweise recht deutlichen Kritik an den Mißständen in dem zentralasiatischem Land gewichen sind.

Nach dem Tod des »Vaters aller Turkmenen« sind Rußland, die USA, China, die EU, der Iran und die Türkei bemüht, möglichst viel Einfluß in Turkmenistan zu gewinnen, das mit geschätzten zwei Billionen Kubikmetern Erdgas über die – nach Rußland – zweitgrößten Reserven im gesamten postsowjetischen Raum verfügt. Die USA will der neuen Führung in Aschchabad das Projekt einer Gaspipeline schmackhaft machen, die auf dem Grund des Kaspischen Meeres verlaufen und turkmenisches Erdgas an Rußland vorbei gen Westen liefern sollte. Nijasow lehnte dieses Vorhaben noch kurz vor seinen Tod ab, da der russische Gasmonopolist Gasprom die Einkaufspreise für turkmenisches Erdgas verdoppelte.

Tatsächlich verfügt Rußland derzeit über die besten Karten im geostrategischen Machtpoker um die Rohstoffe Turkmenistans, da die einzige internationale Gaspipeline, an die Turkmenistan angeschlossen ist, über russisches Territorium verläuft. Mit Erleichterung dürfte Moskau Berdymuchammedows Beteuerungen zur Kenntnis genommen haben, daß sein Land sich weiterhin an die bestehenden Lieferverträge für Energieträger halten werde. Mittelfristig dürften aber etliche Pipelineprojekte die russische Dominanz im turkmenischen Gassektor durchaus bedrohen. Noch im April 2006 genehmigte »Turkmenbaschi« bei einem Staatsbesuch in China den Bau einer Gasleitung, die den begehrten Rohstoff direkt in das boomende Reich der Mitte transportieren soll. Nach der Fertigstellung sollen 30 Milliarden Kubikmeter Gas durch die Pipeline jährlich nach China fließen, was in etwa der Hälfte der jährlichen Produktionsmenge Turkmenistans entspricht, wie die russische Nachrichtenagentur RIA-Novosti feststellte.

Für die Bevölkerung der zentralasiatischen Republik dürften die Wahlen und die sie begleitenden, geopolitischen Auseinandersetzungen kaum Verbesserungen mit sich bringen. Während seiner Zeit als Gesundheitsminister hatte Berdymuchammedow die berüchtigte »Gesundheitsreform« Turkmenbaschis umgesetzt, während der alle Kliniken außerhalb der Hauptstadt geschlossen und 15000 Ärzte entlassen wurden. Turkmenistan hat nun über eine der höchsten Säuglingssterblichkeitsraten der Welt.

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