Aus „Junge Welt“ vom 31.08.06
Japans Premier in Kasachstan und Usbekistan auf der Suche nach neuen Bezugsquellen für Rohstoffe
Es sei nicht gut für Japans Energiesicherheit, zu sehr von den etablierten Erdöllieferanten im Mittleren Osten abhängig zu sein. »Auch Kasachstan und Usbekistan sind mit reichlichen Ressourcen gesegnet.« Schon vor Antritt seiner heute zu Ende gehenden viertägigen Reise in die beiden zentralasiatischen Republiken gab der japanische Premier Junichiro Koizumi freimütig Auskunft über deren Zielsetzung.
Bei einem Treffen mit Staatschef Nursultan Nasarbajew in der kasachischen Hauptstadt Astana unterstrichen beide Seiten am Montag ihre Bereitschaft zur Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen, insbesondere im Energiesektor. Japan wolle wirtschaftlich und politisch große Anstrengungen zur Festigung der bilateralen Beziehungen zu Kasachstan unternehmen, so Koizumi bei einer anschließenden Pressekonferenz. Das bisherige Engagement scheint erste Früchte zu tragen: Das bescheidene Handelsvolumen beider Länder von 736 Millionen US-Dollar soll in diesem Jahr um 20 Prozent wachsen. Zudem gelang es der japanischen Seite, mit Kasachstan ein Memorandum zur Kooperation bei der zivilen Nutzung der Kernkraft auszuhandeln. Kasachstan als der drittgrößte Uranproduzent der Welt beliefert derzeit hauptsächlich die russische Atomindustrie. Japanische Handelskonzerne wie Sumitomo oder Marubeni, die den Brennstoff für die Atommeiler der Landes einkaufen, haben in letzter Zeit ihre Anstrengungen verstärkt, ebenfalls Zugang zu den kasachischen Vorkommen zu bekommen. Schon im Januar gab Sumitomo – der drittgrößte Handelskonzern Japans – bekannt, in Kooperation mit Kansai Electric eine Uranmine in Kasachstan zu erschließen. Koizumis Staatsvisite dient vor allem dem Zweck, diesen Einstieg in den hart umkämpften kasachischen Uranmarkt politisch abzusichern. Japans zivile Atomindustrie rangiert nach den USA und Frankreich auf dem weltweit dritten Platz.
Politisch ist Koizumis Besuch in Usbekistan brisant. Der japanische Premier ist bislang der ranghöchste ausländische Besucher, der die autoritäre Führung um Präsident Islam Karimow mit einer offiziellen Staatsvisite beehrt, nachdem sie im Mai 2005 einen Aufstand in der südusbekischen Stadt Andischan blutig niederschlagen ließ. Nach harscher Kritik der USA am Vorgehen der usbekischen Sicherheitskräfte wurde der US-Militärstützpunkt im Land geschlossen, und die Beziehungen zum Westen wurden nahezu eingefroren. Die usbekische Führung scheint nun aber bestrebt zu sein, ihre Isolation zumindest partiell zu durchbrechen. In einer offiziellen im Vorfeld des Koizumi-Besuchs veröffentlichten Erklärung unterstreicht Karimow seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mir Japan. Der usbekische Staatschef bezeichnet das Land darin als einen »Partner, der volles Vertrauen einflößt«, und den Besuch selbst als »einen überaus wichtigen Schritt in der Geschichte der Entwicklung der Beziehungen zwischen unseren beiden Staaten«. Neben dem Erdöl- und Erdgasbereich verweist auch Karimow auf die Möglichkeit, gemeinsam Uranvorkommen abzubauen, da die Nachfrage nach diesem Rohstoff weltweit steige.
Politische Beobachter werten die Visite Koizumis in Taschkent als den Versuch, in Zentralasien eine vom Washington unabhängige, pragmatische Politik zu betreiben. Zudem hofft man in Tokio, durch ökonomische Kooperation auch den Einfluß Rußlands und Chinas in Zentralasien abmildern zu können.