Euro in weiter Ferne

Aus „Junge Welt“ vom 30.08.06
Beitritt zur Europäischen Währungsunion verzögert sich für die meisten osteuropäischen EU-Mitglieder um Jahre

Die Einführung des Euro wird sich in mehreren Ländern Osteuropas stark verzögern. Neben Ungarn müssen auch Polen und Tschechien ihre 2004 veröffentlichten Deklarationen über den Beitritt zur Eurozone korrigieren. Ursprünglich visierten alle drei Länder die Einführung der Gemeinschaftswährung für den 1. Januar 2009 an, doch dieses Datum wird inzwischen auch offiziell als nicht mehr realisierbar bezeichnet.

Steigende Defizite

So zwang ein ausuferndes Haushaltsdefizit die ungarische Regierung, den Beitritt zur Eurozone um etliche Jahre zu verschieben. Die polnische Tageszeitung Gazeta Wyborcza publizierte jüngst Schätzungen von Ökonomen der Weltbank, denen zufolge Ungarn nicht vor 2014 die Bedingugen für die Einführung des Euro erfüllen wird. Haushaltsdefizit und Staatsverschuldung nehmen in Ungarn inzwischen bedrohliche Ausmaße an. Eine Prognose der »dbresearch«, eines Think Tanks der Deutschen Bank, sieht die Staatsverschuldung Ungarns für 2006 bei nahezu 70 Prozent des Bruttosozialprodukts (BSP) des Landes. Das Haushaltsdefizit des laufenden Fiskaljahres könnte zudem bis zu zehn Prozent des BSP erreichen. Laut den Maastrichter Stabilitätskriterien des Europaktes dürfen die Staaten der Eurozone eine Staatsverschuldung von höchstens 60 Prozent des BSP und ein Haushaltsdefizit von nicht mehr als drei Prozent des BSP aufweisen.

Die ungarische Regierung legte inzwischen ein Konvergenzprogramm vor, das es ermöglichen soll, sich bis zum Jahr 2009 den Kriterien des Euro-Stabilitätspaktes zu nähern. Rabiate Ausgabenkürzungen und eine Erhöhung von Unternehmens- und Konsumsteuern sollen Ungarn wieder auf Eurokurs trimmen. An die 300000 Stellen werden im Öffentlichen Dienst wegfallen, die Preise für Gas und Strom sollen massiv angehoben werden und die Mehrwertsteuer von 15 auf 20 Prozent klettern. Nicht nur linke Parteien, sondern auch die Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer, die mit rund 1000 Mitgliedsfirmen größte bilaterale Wirtschaftsvereinigung Osteuropas, übte harsche Kritik an dem Programm: »Das Sanierungspaket erhöht die Kosten der Unternehmen und verringert die Wettbewerbsfähigkeit Ungarns als Investitionsstandort,« teilte deren Geschäftsführer Gabriel A. Brennauer der Presse mit. Was Brennauer und andere Investoren so in Rage versetzt, ist die neu eingeführte »Solidaritätssteuer« von vier Prozent, die alle Unternehmen in Ungarn zu zahlen haben. Auch die für die Weltbank tätige Ökonomin Emilia Skrok sieht im Falle Ungarns, dem einstigen »Musterknaben« der EU-Integration, eher schwarz. Ungarn habe mehrfach das Beitrittsdatum zur Eurozone verschoben, und nun offiziell auf einen festen Zeitplan verzichtet. Das bedeute offenbar, daß es keine diesbezüglichen Prioritäten gebe, so Skrok gegenüber der Gazeta Wyborcza.

Ein weiteres Land, das inzwischen ohne festen Fahrplan ins Euroland auskommt, ist Polen. Die Verschuldung der öffentlichen Hand liegt knapp unter 50 Prozent des BSP, das Haushaltsdefizit bei 3,8 Prozent. Diese relativ moderaten Werte werden sich aber nach Ansicht von Waclaw Wilczynski, Ökonomieprofessor an der Poznaner Universität, im Laufe des Jahres rapide verschlechtern. Die polnische Regierung belaste den Haushalt mit immer neuen Ausgaben, erklärte der Ökonom gegenüber der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita. Hierbei handelt es sich aktuell um bescheidene Lohnerhöhungen für Staatsbedienstete, Lehrer und Krankenschwestern. Zudem fror die konservative Regierung Polens alle anstehenden Privatisierungsvorhaben ein, so daß diese schon eingeplanten Einkünfte ausbleiben werden. Die Weigerung Polens, einen festen Beitrittstermin zur Eurozone zu nennen, ist aber vor allem eine politische Entscheidung, die das Mißtrauen gegenüber der Europäischen Union zum Ausdruck bringt, das in weiten Teilen der polnischen Bevölkerung und des derzeitiger Regierungslagers herrscht.

Musterland Slowenien

In Tschechien könnte die planmäßige Einführung des Euro hingegen an der seit Monaten andauernden Regierungskrise scheitern. Kurz vor den Wahlen hat die damalige sozialdemokratische Regierung in Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei ein umfangreiches Sozialpaket auf den Weg gebracht, welches das tschechische Haushaltsdefizit auf 3,8 Prozent des BSP steigen lassen wird. Eine Regierung, die diese sozialen Maßnahmen zurücknehmen könnte, ist aber nicht in Sicht. Da die Regierungsbildung des bürgerlichen Lagers am Parlamentspatt zwischen linken und rechten Kräften gescheitert ist, wird nun in Prag über eine vorgezogene Neuwahl im Frühjahr 2007 und eine Euroeinführung um 2012 spekuliert.

Rechtzeitig zum 1. Januar 2007 wird hingegen Slowenien der Eurozone beitreten. Daneben schafft es höchstwahrscheinlich die Slowakei ihren Beitrittstermin 2009 einzuhalten. Der Premier der international scharf kritisierten, aus Nationalisten und Sozialdemokraten jüngst zusammengesetzten Regierung in Bratislava, Robert Fico, erklärte nach starkem, internationalen Druck die Einführung des Euro zu einer Priorität seiner Politik.

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