Publiziert am 20.03.06 in „Junge Welt“
Polens Zentralbankchef Leszek Balcerowicz gerät unter Druck. Regierung will Verkauf weiterer Banken an ausländische Investoren verhindern
Leszek Balcerowicz ist in Polen ein Symbol für die nach 1989 eingeleitete Systemtransformation. Der berüchtigte »Balcerowicz-Plan«, der 1990 in Zusammenarbeit mit den neoliberalen »Chicago Boys« um Jeffrey Sachs umgesetzt wurde, war die polnische Variante der »Schocktherapie«, der die meisten osteuropäischen Volkswirtschaften unterzogen wurden. Diese umfassende, radikale »Liberalisierung« der Wirtschaft legte die Grundlagen für die derzeitige sozioökonomische Lage Polens, die durch eine 20prozentige Arbeitslosigkeit, Massenarmut und die Dominanz westlichen Kapitals gekennzeichnet ist. Bislang war Balcerowicz, inzwischen als Zentralbankchef für die Geldpolitik verantwortlich, nahezu unantastbar.
Doch nun gerät der polnische Vorzeigeliberale verstärkt unter Beschuß seitens der konservativen Regierung. Den Anlaß lieferte Balcerowicz vergangenen Mittwoch selber, als er den Vizepremier der Regierenden PiS (Recht und Gerechtigkeit), Cezar Mech, auf Betreiben der italienischen Bankengruppe UniCredito rechtswidrig von einer Sitzung der Kommission zur Bankenaufsicht ausschloß. Auf dieser Sitzung sollte die Fusion zweier polnischer Töchter der UniCredito diskutiert werden, der PEKAO.S.A. und der BHP. Die polnische Regierung widersetzt sich der Fusion aufs entschiedenste. Deswegen entschloß sich Balcerowicz, der diese befürwortet, dem Wunsch von UniCredito zu folgen und den Regierungsvertreter in der Kontrollkommission einfach vor die Tür zu weisen, da dieser »voreingenommen« und »parteiisch« sei. Die regierenden Konservativen werfen UniCredito vor, die beim Erwerb von PEKAO.S.A. abgeschlossene Privatisierungsvereinbarung von 1999 zu brechen, in der sich die Italiener verpflichteten, keine weiteren Konkurrenten auf dem polnischen Markt zu übernehmen. Die polnische BHP gehörte zur Hypovereinsbank, seit deren Übernahme durch UniCredito im Oktober 2005 sollen nach dem Willen der Italiener auch die polnischen Töchter fusionieren. Die polnische Regierung befürchtet hingegen eine weitere Monopolisierung im Finanzsektor sowie eine Entlassungswelle im Zuge der Fusion.
Dieser Eklat auf der Sitzung der Kontrollkommission löste besonders unter rechten Parlamentariern eine Welle der Entrüstung aus. Balcerowicz wurde am Freitag vor das polnische Parlament zitiert, seine Rechtfertigungsversuche gingen im Protestgeschrei aufgebrachter Abgeordneter unter. Die populistische Samoobrona und die rechtsgerichtete LPR (Liga der Polnischen Familien) bezichtigen Balcerowicz des »Vaterlandsverrats« und fordern energische Maßnahmen, um die Fusion doch noch zu verhindern. Roman Giertych, Vorsitzender der LPR, warf dem Zentralbankchef vor, den »Interessen fremden Kapitals« zu dienen. Samoobrona wie auch LPR wollen Balcerowicz möglichst schnell vor das polnische Verfassungstribunal bringen, um seine Entmachtung voranzutreiben. Eine parlamentarische Untersuchungskommission soll darüber hinaus alle seit 1989 erfolgten Privatisierungen im Bankenwesen unter die Lupe nehmen. Ein neues, von PiS, Samoobrona und LPR eingebrachtes Gesetz über eine zentrale Finanzaufsicht würde Balcerowicz als Zentralbankchef darüber hinaus weitgehend schwächen. Der Vorsitzende der geplanten Behörde würde vom Premier auf sechs Jahre ernannt und mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet, die derzeit die Zentralbank innehat. Die Narrenfreiheit, die der Monetarist Balcerowicz momentan genießt, wäre beendet.
Doch inzwischen gehen die Verbündeten des polnischen Zentralbankchefs in die Gegenoffensive. Die Europäische Kommission forderte in einem Schreiben die polnische Regierung jüngst auf, der Fusion der polnischen Tochtergesellschaften von UniCredito zuzustimmen, da diese Blockade gegen die Grundsätze des gemeinsamen, europäische Marktes verstoße und man sich ansonsten gezwungen sehe, »weitere Schritte« gegen Polen einzuleiten. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) zeigte sich über die nahezu unbegrenzten Machtbefugnisse des Präsidenten der geplanten Finanzaufsicht besorgt. Die EZB forderte darüber hinaus, die Polnische Notenbank (also Balcerowicz) weiterhin an der Bankenaufsicht zu beteiligen. Selbstverständlich greifen auch alle privatisierten Medien Polens die Regierung scharf an, da diese an der »Unabhängigkeit der Zentralbank« rütteln würde. Fast alle überregionalen Zeitungen gaben den Standpunkt von Balcerowicz und UniCredito kritiklos wieder. Angesichts einer solchen »Öffentlichkeit« reagieren die derzeit in Polen regierenden Kräfte fast schon verzweifelt. »In Polen gibt es keine freien Medien. Die Medien wirken nur im Interesse ihrer Eigentümer«, erklärte der Vorsitzende der regierenden PiS, Jaroslaw Kaczynski, auf einer Pressekonferenz in Krakau. Seine Partei trage sich mit dem Gedanken, das Presserecht dahingehend zu ändern, daß Journalisten, die eine vom – meist westlichen – Eigentümer abweichende Meinung haben, deswegen nicht entlassen werden können.