Der polnische Staat wird neoliberal umgebaut

Publiziert am 19.09.2005 in „junge welt“

Am kommenden Sonntag wird im Nachbarland gewählt. Rechte Parteien hassen die »Dritte Polnische Republik«

Die in Polen für den 25. September und 9. Oktober angesetzten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen werden zweifelsohne eine grundlegende Umwälzung des gesamten politischen Spektrums dieses Landes mit sich bringen. Derzeit noch in der Opposition befindlich, haben die rechten und wirtschaftsliberalen Parteien bereits den Aufbau einer neuen, »Vierten Polnischen Republik« angekündigt. Der gegenwärtige politische und verfassungsrechtliche Rahmen soll einer grundlegenden Reform unterzogen werden. Die »Dritte Polnische Republik« wird von der polnischen Rechten als Hort der Korruption und Vetternwirtschaft, als ein noch immer mit kommunistischen Rudimenten behaftetes Gebilde wahrgenommen, dem ein von etlichen Parteien initiiertes Verfassungsprojekt ein Ende setzen soll. Um den Haß der polnischen Rechten auf die »Dritte Polnische Republik« wie auch die in jenen Zirkeln kursierenden Gegenvorschläge zu verstehen, ist ein kleiner Rückblick auf die jüngste polnische Geschichte hilfreich.

Liberale Verfassung

Die polnische Systemtransformation fand ihren verfassungsrechtlichen Abschluß erst 1997, bis dahin behalf man sich mit einer Übergangsverfassung aus, die ab 1992 galt. Am 17. Oktober 1997 trat die Verfassung der Republik Polen in Kraft, nachdem eine verfassunggebende Versammlung sie ausgearbeitet hatte und diese dann in einem Referendum mit 52,7 Prozent der Stimmen knapp angenommen wurde. Doch es waren vor allem die postkommunistischen Kräfte, die bei der Ausarbeitung der Verfassung federführend waren. Die verfassunggebende Versammlung setzte sich aus den Abgeordneten des Parlaments und des Senats zusammen, und hier konnten die aus der ehemaligen Staatspartei der Volksrepublik Polen hervorgegangenen Kräfte über zwei Drittel der Stimmen auf sich vereinigen. Konkret handelte es sich hierbei um die sozialdemokratisierte SLD (Vereinigung der Demokratischen Linken), die aus der PZPR (Polnische Vereinigte Arbeiterpartei) hervorging, und die ehemalige Blockpartei PSL (Polnische Bauernpartei). Beide Parteien konnten auf die Unterstützung der aus dem linken Flügel der »Solidarnosc« formierten »Union der Arbeit« (UP) und der Linksliberalen »Union der Freiheit« bei der Verfassungsausarbeitung setzen. Im Endergebnis wurde dem Wahlvolk eine liberale Verfassung zur Abstimmung vorgelegt, die all die Grundrechte festschrieb, die in einer kapitalistischen Gesellschaftsformation überhaupt realisierbar sind. Neben dem obligatorischen Schutz des Privateigentums an Produktionsmitteln findet man: strenge Gewaltentrennung, die Beschneidung der Kompetenzen der staatlichen Repressionsorgane, weitgehende kommunale Selbstbestimmung, die strikte Trennung von Staat und Kirche sowie eine eher repräsentative Stellung des Staatspräsidenten. Die Rechte mobilisierte bei dem Referendum massiv gegen diese Verfassung, doch nicht gegen die kapitalistische Wirtschaftsordnung, die dort festgeschrieben wurde, sondern gegen deren liberale »Sekundärmerkmale«, wie den säkularen Staatscharakter. Die Rechte verlor das Referendum knapp, doch in ihrer Propaganda und Ideologie erscheint fortan die jetzige politische und ökonomische Gesellschaftsstruktur Polens als Ergebnis einer »kommunistischen Verschwörung«, die in besagte Verfassung mündete. Sei es der wirtschaftliche und soziale Niedergang, die politische Instabilität, die allgegenwärtige Korruption, die Machenschaften diverser Oligarchen oder simple Marktvorgänge wie Massenentlassungen – nicht die ökonomische, kapitalistische Basis der Gesellschaft, sondern deren politischer, liberaler Überbau mitsamt dessen sozialdemokratischen Architekten wird von der Rechten für den von ihnen beklagten »Niedergang Polens« verantwortlich gemacht.

Auf dem Weg zum autoritären Staat

Entsprechend der rechten »Diagnose«, die dem »Patienten Polen« gestellt wird, sieht die Medizin aus, die ihn kurieren soll. Von besonderer Relevanz sind hier die Standpunkte der PiS (Recht und Gerechtigkeit), der größten rechtskonservativen polnischen Partei, die bei den Umfragen um die 24 Prozent prognostiziert bekommt und deren Vorsitzender, Lech Kaczynski, gute Aussichten auf das Amt des Präsidenten hat. Sein Zwillingsbruder, Jaroslaw Kaczynski, will übrigens Premier werden. Schon in ihrem Wahlprogramm wird an zentraler Stelle ein Gesellschaftsbild entworfen, das keine Klassen und Gegensätze kennt: Die Auffassung, wonach in einer Nation verschiedene Gruppen und Klassen bestehen, müsse einem »ganzheitlichen«, auf der Kategorie der nationalen Zugehörigkeit fußenden Bild der Nation weichen, so die Autoren des Wahlprogramms der PiS. Der politische Pluralismus wird als ein die Nation zerstörendes Geschacher wahrgenommen, das Aufkommen und die Verfolgung unterschiedlicher Interessen durch verschiedene Gruppen scheint unnatürlich, als ein Verstoß gegen die natürliche Ordnung. Nachdem das Volk zu einem einheitlichen, organischen, aus völkischen Kategorien abgeleiteten Subjekt konstruiert wurde, erübrigen sich etliche demokratische Mindeststandards: Ganz oben auf der Verfassungsagenda der PiS steht ein starker, mit weitreichenden Vollmachten ausgestatteter Präsident – im Idealfall wäre das Lech Kaczynski. Der Präsident soll laut PiS u. a. mit dem Recht ausgestattet werden, das Parlament unter bestimmten Bedingungen aufzulösen und Neuwahlen ausrufen zu können, er soll den Premier nominieren und eigene Gesetzesentwürfe einbringen dürfen, ferner soll er ein weitreichendes Vetorecht gegenüber Gesetzesvorhaben des Parlaments (des Sejm) besitzen. Ihrer Herkunft als »Law and Order«-Partei gemäß steht die PiS der Gewaltenteilung äußerst skeptisch gegenüber. Der Präsident soll Einfluß auf die Besetzung der Spitzenposten in Justiz und Polizei nehmen können, wie der gesamte Strafverfolgungsapparat einer »stärkeren politischen Kontrolle« unterworfen werden soll, um, wie es so schön heißt, »den Kampf gegen die Korruption effizienter führen zu können«. Dieser als »Säuberung des Staates« bezeichnete Kampf gegen die Korruption dient dazu, die für letztere verantwortlich gemachten postsozialistischen Kräfte um die SLD aus Staat und Verwaltung zu vertreiben, die schon längst sozialdemokratische – also neoliberale – Politik betrieben haben, doch dessenungeachtet von der PiS mit einer an Obsession grenzenden Vehemenz als »Kommunisten« gebrandmarkt werden. Selbstverständlich will die PiS das Strafrecht radikal »reformieren«, inklusive der Einführung der Todesstrafe und der Verschärfung des Jugendstrafrechts. Daß die grassierende Kriminalität in Polen irgend etwas mit der Verarmung breiter Bevölkerungsschichten zu tun haben könnte, darauf kommen die Gebrüder Kaczynski nicht. Für die Wirtschaftspolitik werden in einer zukünftigen rechten Regierungskoalition wohl andere verantwortlich sein.

Turbokapitalismus droht

Die rechtsliberale PO (Bürgerplattform) liegt bei den Wahlumfragen in etwa gleichauf mit der PiS, beide Parteien könnten somit zusammen an die 50 Prozent der Stimmen erhalten. Der Präsidentschaftskandidat der PO, Donald Tusk, liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Lech Kaczynski. Inzwischen fanden schon inoffizielle Koalitionsabsprachen zwischen beiden Parteien statt. Die PO vertritt einen an Militanz grenzenden Wirtschaftsliberalismus. Der Übersichtlichkeit halber sei nur erwähnt, welche Wirtschaftssektoren und Unternehmen nicht privatisiert werden: Es sind deren ganze elf, hierunter fallen u. a. die staatlichen Wälder, das Lotteriemonopol, die zentralen Flughäfen oder die polnische Eisenbahngesellschaft PKP. Alles andere soll privatisiert werden, und zwar innerhalb einer Legislaturperiode, wie PO-Sprecher jüngst stolz verkündeten. Einen weiteren Schwerpunkt der Parteiprogrammatik bildet eine mit »3 x 15« titulierte Steuerreform, die Polen zum »konkurrenzfähigsten Wirtschaftsstandort Europas« machen soll. Diese »Bierdeckelreform« merzschen Zuschnitts sieht einen einheitlichen linearen Steuersatz von 15 Prozent für die Lohn-, Kapital- und Konsumsteuern vor. Damit würde Polen die Slowakei unterbieten, wo eine »Flat-Tax« von 18 Prozent bereits eingeführt wurde. Zur Finanzierung dieser Steuerreform sollen die staatlichen Ausgaben massiv eingeschränkt werden, was – so ehrlich ist Tusk immerhin – insbesondere die Ärmsten treffen würde. Doch eine verbesserte Effizienz der staatlichen Verwaltung, gepaart mit verstärkter Investitionstätigkeit würde die negativen sozialen Auswirkungen dieser Reform mildern. Im übrigen kommt bei der das PO das übliche Standardprogramm des Neoliberalismus zur Anwendung. Die Partei beklagt die zu hohen Lohnkosten und Kapitalsteuern in Polen, sie klagt über mangelnde Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt und ausufernde Bürokratie. In einem Punkt unterscheidet sich die PO aber deutlich von ihren westeuropäischen Schwesterparteien – Margaret Thatchers Parole, wonach es keine Gesellschaft, sondern nur Individuen gebe, wird von der PO abgelehnt. Denn mit dem Turboliberalismus dieser Partei korrespondiert ein aggressiver Nationalismus, den auszuleben die jüngste außenpolitische Krise mit Belarus die Gelegenheit bot. Es war Donald Tusk, der die von den belarussischen Behörden nicht anerkannte Führung der dortigen polnischen Minderheit in Grodno aufsuchte und sich mit nationalistischen Angriffen auf das Nachbarland hervortat. Sowohl die PO als auch die PiS konnten dank dieses hemmungslosen Populismus ihre Umfragewerte in den letzten Wochen steigern und die drittstärkste politische Kraft Polens, die Samoobrona, die gemeinhin als Hort des Populismus gilt, in die Defensive treiben.

Linksruck bei der SO

Die Samoobrona (SO – Selbstverteidigung) entstand in den neunziger Jahren aus einer militanten Bauernbewegung, die mit Straßenblockaden, Sabotageakten und Massendemonstrationen für die Interessen des in Polen immer noch zahlreichen Kleinbauerntums eintrat. Inzwischen ist es der SO gelungen, ihre Wählerbasis auszuweiten. Die Partei ist für einen Großteil der städtischen Unterschichten genauso wählbar wie für Teile der Arbeiterschaft, bis zu 18 Prozent erreicht sie bei den neusten Wahlumfragen. Bislang wurde diese Gruppierung in den polnischen Medien als »populistisch« bezeichnet, da ihr Gründer, der Bauernführer Andrzej Lepper, wie auch seine Anhängerschaft vor handfesten Methoden der parlamentarischen Auseinandersetzung nicht zurückschrecken – die meisten Prügeleien im Sejm, dem polnischen Parlament, fanden mit Beteiligung von SO-Abgeordneten statt. Darüber hinaus war eine Einordnung dieser Partei in das politische Koordinatensystem nicht einfach, da sich innerhalb ihrer Anhängerschaft äußerst widersprüchliche ideologische und programmatische Ansätze finden lassen. Zum einen gilt die SO als Hort der polnischen »Ostalgie«, hier werden die Relikte der sozialen Errungenschaften der Volksrepublik Polen vehement verteidigt. Die Partei lehnt kategorisch alle neoliberalen Wirtschaftstheorien ab und stellt diesen linkskeynesianische Konzepte entgegen, die fälschlicherweise als »dritter Weg« zwischen Sozialismus und Kapitalismus bezeichnet werden (staatliche Kontrolle der Monetärpolitik, Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und Kapital, Entlastungen für Geringverdiener, Investitionsprogramme). Außenpolitisch orientiert sich die SO eher an Rußland. Die ökonomische Durchdringung Polens durch das deutsche Kapital wird als die größte Bedrohung wahrgenommen. Das führte dazu, daß sich Lepper als einziger Spitzenpolitiker nicht an der nationalistischen Hetze der letzten Wochen gegen Rußland und Belarus beteiligte und – ironischerweise – die einzige Stimme der Vernunft war, die sich für eine Verständigung mit den östlichen Nachbarn aussprach. Andererseits haben wir es hier mit einer äußerst autoritär strukturierten Partei zu tun, in der Lepper über unumschränkte Macht verfügt und in der innerparteiliche Diskussion kaum möglich ist. Teile der SO tendieren zu einem radikalen Nationalismus, der oft mit latentem Antisemitismus einhergeht. Lepper entschloß sich kürzlich, diese Auswüchse zu bekämpfen und einen gemäßigten Linksschwenk zu vollführen. Er setzte gegen parteiinternen Widerstand einen sicheren Listenplatz zu den Sejm-Wahlen für die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Poznan durch und sprach sich demonstrativ für Schwulen- und Lesbenparaden in Polen aus, die zuletzt in Krakow aufgrund des massiven Widerstands der extremen Rechten verboten worden waren. Lepper wird nicht müde, die SO öffentlich als »tolerante, linke Kraft« zu bezeichnen. Diese Maßnahmen werden sicherlich auch von der Hoffnung getragen, einen Großteil der Konkursmasse der bislang größten Regierungspartei, der sozialdemokratischen SLD, zu erben, die sich momentan in Auflösung befindet.

Déjà-vu-Erlebnisse

Die »Vereinigung der Demokratischen Linken« (SLD) wird wohl das Schicksal ihrer Vorgängerin, der »Wahlaktion Solidarität« (AWS) teilen. Die AWS war ein breites Bündnis rechter bis rechtsextremer Kräfte, das Polen ab 1997 regierte, das Land durch die konsequente Umsetzung neoliberaler Wirtschafts- und Sozialkonzepte ruinierte und welches bei den Wahlen 2001 nicht mehr die Fünf-Prozent-Hürde nehmen konnte. Aus den Trümmern der AWS entstanden schon im Vorfeld der Wahlen 2001 all die Kräfte, wie die PiS und PO, die sich nun anschicken, die Macht zu übernehmen und die ihre Herkunft konsequent verschweigen. Ab 2001 übernahm die SLD die Regierungsgeschäfte und machte dort weiter, wo die AWS aufgehört hatte: Die Renten wurden gekürzt, das Arbeitsrecht liberalisiert, die Reallöhne sanken, die Privatisierung wurde beschleunigt und die Arbeitslosenunterstützung auf ein Jahr begrenzt. In den Umfragen kommt die SLD gegenwärtig auf fünf bis sieben Prozent, weshalb – wie bei der AWS vor vier Jahren – etliche prominente Parteimitglieder längst ausgetreten sind und ihre eigenen Parteien gegründet haben, um nicht mit der in der SLD grassierenden Korruption in Verbindung gebracht zu werden. Inzwischen gibt es neben der SLD die »Polnische Sozialdemokratie« (SdPl), die in einem Wahlbündnis mit der »Union der Arbeit« (UP) und den polnischen Grünen an die fünf bis sechs Prozent bekommen könnte, wie auch eine »Demokratische Partei«, die ebenfalls von Ex- SLDlern gegründet wurde. Daneben kämpft noch die Bauernpartei PSL, die mit der SLD über lange Jahre koaliert hat, mit der Fünf-Prozent-Hürde. Wahlprognosen sehen die genannten Parteien zusammen bei 15 bis 25 Prozent, doch im schlimmsten Fall könnte eine jede von ihnen knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern und den Rechten zu einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament verhelfen. Selbst die letzte Hoffnung der SLD, ihr Präsidentschaftskandidat Wlodzimierz Cimoszewicz, der bei Umfragen vor den Kandidaten der PO und PiS lag, ist durch eine kürzlich öffentlich gewordene Affäre um Insidergeschäfte mit Aktien kompromittiert worden. Er zog seine Kandidatur zurück.

Bastion des Antisemitismus

Selbst wenn – aller Wahrscheinlichkeit nach – PiS und PO nicht die Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament erreichen, für reaktionäre Verfassungsänderungen wird sich die »Liga der Polnischen Familien« (LPR), die an die zehn Prozent der Stimmen auf sich vereinigen könnte, sicherlich offen zeigen. Die LPR vertritt – neben einem extremen Nationalismus – radikal klerikale Auffassungen, deren Umsetzung die Macht der katholischen Kirche in Polen noch vergrößern würde. LPR wie auch PiS wollen den »christlichen Charakter der Republik Polen« in einer neuen Verfassung festgeschrieben sehen, darüber hinaus soll die Kirche mehr Einfluß im Erziehungswesen erhalten und die polnische katholische Kultur vor zersetzenden Einflüssen aus dem Westen geschützt werden. Die LPR ist die Bastion des manifesten, offenen Antisemitismus und der aggressiven Homophobie in Polen, ihre Mitgliedschaft rekrutiert sich hauptsächlich aus dem bäuerlichen und kleinstädtischen Milieu. Es waren insbesondere die reaktionären, konservativen Teile der katholischen Kirche, deren Unterstützung diese Partei, die aus den rechtsextremen Abspaltungen der AWS 2001 entstand, ihren Erfolg verdankt. Die Kirche ist in Polen nicht nur eine »moralische Autorität«, sondern sie verfügt über reale Machtmittel: Der erzkonservative Redemptoristenorden baute in Polen ein regelrechtes Medienimperium auf, das einen Fernsehsender (Trwam), das »Radio Maryja« und Unsere Tageszeitung (Nasz Dziennik) umfaßt, mit dem Hunderttausende Gläubige täglich erreicht und bei Gelegenheit mobilisiert werden können. Die Kirche ist inzwischen der größte Grundbesitzer Polens, sie betreibt landwirtschaftliche Betriebe und konnte einen Teil des Gesundheitswesen übernehmen. Daneben baute die LPR ihre Kontakte zur faschistischen Szene Polens aus, namentlich zur »Allpolnischen Jugend« (MW – Mlodzierz Wszechpolska), einer straff organisierten, 3000 Mitglieder zählenden Organisation, maßgeblich an Ausschreitungen gegen Linke, Ausländer und die »Gay-Parade« in Krakow beteiligt waren. Die wichtigsten Kader der MW treten nun – im Anzug und mit akademischem Abschluß in der Tasche – auf aussichtsreichen Listenplätzen der LPR zu den Sejmwahlen an.

Ausblick

Aller Wahrscheinlichkeit nach werden PiS und PO die nächste Regierung bilden und den Präsidenten stellen. Einer weitgehenden, autoritären und wirtschaftsliberalen Transformation des Landes würde dann kaum etwas im Wege stehen. Die als »Säuberung« von Kommunisten dangekündigte Entfernung von Sozialdemokraten aus dem Staatsapparat wird sicherlich die nützliche Nebenwirkung haben, diesen mit der neuen Führung treu ergebenen Leuten besetzen zu können. Beide Parteien genießen die nahezu einhellige Unterstützung der Massenmedien, ihre antikommunistische und nationalistische – insbesondere antirussische – Propaganda findet weite Verbreitung und läßt deren Umfragewerte hochschnellen. Eine für Verfassungsänderungen notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament werden diese beiden Parteien aller Voraussicht nach nicht erreichen, doch hierfür könnten andere Parteien mobilisiert werden, wie die antisemitische LPR, die ebenfalls – ähnlich der PiS – zum Beispiel die Todesstrafe oder ein autoritäres Präsidialsystem befürwortet. In Polen grassiert Antikommunismus ohne Kommunisten und Antisemitismus ohne Juden, wie sich der Herausgeber der linken Zeitschrift Nie, Jerzy Urban, ausdrückte. Beide Verschwörungsphantasien dienen zur Legitimierung einer Politik, die die bestehenden ökonomischen und sozialen Verhältnisse radikalisieren will.

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