Die Rechte triumphiert

Publiziert am 27.09.2005 in „junge welt“

Klarer Sieg der polnischen Konservativen bei Parlamentswahlen. Demokratische Linkspartei für zunehmende Massenverelendung abgestraft. Niedrigste Wahlbeteiligung aller Zeiten

Der prognostizierte Erdrutschsieg der polnischen Rechten bei den Parlamentswahlen vom Sonntag ist im vollen Umfang eingetroffen. Nach Auszählung der Hälfte der Stimmlokale am Montag kam die rechtskonservative Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS) der Zwillinge Kaczynski auf 26 Prozent, dicht gefolgt von der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO), die 24 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Das offizielle Endergebnis wird erst am heutigen Dienstag bekanntgegeben.

Beide Siegerparteien hatten bereits während des Wahlkampfes offizielle Koalitionsvereinbarungen getroffen. Dennoch gab es am Wahlabend eine Überraschung, da alle Wahlprognosen die für einen radikalen Wirtschaftsliberalismus eintretende PO in Führung sahen, deren programmatische Eckpunkte – wie die Einführung einer »Flattax« von 15 Prozent oder eine massive, schnelle Privatisierungskampagne – insbesondere bei den Konzernmedien auf Gegenliebe stießen. Der Sieger der Wahlen, die PiS, tritt ebenfalls für eine »Verbesserung des Investitionsklimas« in Polen ein, doch gehen die Vorstellungen der PO den Kaczynskis zu weit – eine lineare Einheitssteuer von 15 Prozent wird es in Polen auf absehbare Zeit wohl nicht geben. Inzwischen hat Jaroslaw Kaczynski seinen Anspruch auf den Posten des Regierungschefs angemeldet und schnelle Koalitionsverhandlungen mit der PO angekündigt. Diese dürften trotzdem erst nach der Präsidentschaftswahl im Oktober zum Abschluß kommen, da sich hier ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Donald Tusk von der PO und Lech Kaczynski abzeichnet. Obwohl das Präsidentenamt in Polen keine große Machtfülle bietet, ist für die PiS ein Sieg bei den Präsidentschaftswahlen fast noch wichtiger als ihr jetziger Erfolg, da sie den Aufbau eines autoritären Präsidialsystems propagiert.

Die ehemalige Regierungspartei, die sozialdemokratische »Vereinigung der Demokratischen Linken« (SLD), stürzte auf knapp über zehn Prozent ab. Dennoch wurde auf der Wahlparty der Sozialdemokraten ausgelassen gejubelt, da etliche Umfragen diese Partei unter der Fünf-Prozent-Hürde sahen. Die SLD wurde von den Wählern für ihre unzähligen Korruptionsaffären und eine kapitalfreundliche Politik abgestraft, die der Verelendung breiter Bevölkerungsschichten Vorschub leistete.

Überflügelt wurde die SLD von der militanten Bauern- und Protestpartei »Samoobrona« (Selbstverteidigung) des Bauernführers Andrzej Lepper, die auf zwölf Prozent der Stimmen kam. In ihren Reihen sammelt sich hauptsächlich der Protest gegen die – trotz aller Regierungskrisen und politischer Umbrüche weiterhin bestehende – Kontinuität neoliberaler Politik in Polen.

In das Parlament zogen darüber hinaus mit jeweils zirka sieben Prozent die gemäßigte Bauernpartei PSL und die rechtsradikale Liga der Polnischen Familien (LPR) ein. Die Rechtsradikalen hatten auf ein weit besseres Ergebnis gehofft, doch ein Bruch mit den rechten Kreisen der polnischen katholischen Kirche, die sie vormals unterstützten, und die Hinwendung der LPR zu der offen faschistischen »Allpolnischen Jugend« ließen ihre Wählerschaft schwinden. Nicht im Parlament vertreten sind die kürzlich aus der SLD ausgetretenen »Polnischen Sozialdemokraten« (SdPl), die nur drei Prozent der Stimmen erreichten, sowie mit zwei Prozent die linksliberale »Demokratische Partei« (PD), in deren Reihen sich ehemalige Solidarnosc-Aktivisten und SLDler sammelten.

Mit der »Polnischen Partei der Arbeit« (PPP) trat die einzige Gruppierung an, die konsequent linke, dezidiert antikapitalistische Positionen vertrat. Sie wurde von der Kommunistischen Partei Polens (KPP), der Polnischen Sozialistischen Partei (PPS), den Grünen und antiklerikalen Gruppierungen unterstützt und erhielt ein knappes Prozent der Stimmen.

Mit knappen 40 Prozent erreichte die Wahlbeteiligung neue Negativrekorde: Die Mehrheit der Polen versinkt in politischer Teilnahmslosigkeit, eine wie auch immer geartete Hoffnung auf eine Besserung ihrer sozialen Lage haben diese Menschen längst aufgegeben.

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