Drohnen gegen Migranten

„Junge Welt“, 11.02.2009
Ausländerfeindliche Gewalt ist in Rußland an der Tagesordnung. Der Staat reagiert – und bespitzelt die Opfer

Sie sehen aus wie Modell-Hubschrauber aus dem Spielzeugladen. Doch bei den kleinen Fluggeräten handelt es sich um Aufklärungsdrohnen, mit denen die russische Einwanderungsbehörde den Aufenthaltsort von Ausländern ermitteln will. Eine ganze Staffel von fliegenden, mit Kameras bestückten Drohnen soll nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur RIA-Nowosti künftig rund um den Großraum Moskau zum Einsatz kommen, um »ausländische Gastarbeiter besser überwachen« zu können. Starten werden die unbemannten Aufklärungsflugzeuge bereits »im März und April, wenn viele Gastarbeiter traditionell in die Region kommen«, sagte Oleg Molodijewski, Chef der Einwanderungsbehörde.

Schon bei einer Testphase im Dezember konnten die Behörden mit Hilfe der Drohnen sicherstellen, daß auf einer Müllkippe bei Moskau keine illegalen Einwanderer mehr campierten. Vor zwei Jahren sei das ohne Genehmigung eingerichtete Lager geräumt worden, erklärte Molodijewski. Auch an den Grenzen Rußlands zu Polen und Litauen kommen die unbemannten Flugkörper zum Einsatz.

Doch statt Überwachung könnten Ausländer in Rußland eher staatlichen Schutz ge brauchen. Seit Jahren nimmt die rassistische Gewalt in Rußland zu. Im Jahr 2008 starben allein in Moskau 47 Ausländer bei rechtsextremistischen Übergriffen. 48 Menschen wurden teilweise schwer verletzt. In den ersten vier Wochen dieses Jahres verübten Rassisten in Moskau bereits 13 Überfälle auf Ausländer,die sieben Menschen nicht überlebten. In der gesamten Russischen Föderation sollen im vergangenen Jahr 113 Menschen von rechten Gewalttätern ermordet worden sein. Im Jahr 2007 waren 74 Tote und 320 Verletzte zu beklagen. Bei den Opfern handelt es sich meist um Arbeitsmigranten aus dem Kaukasus und Zentralasien.

Die Kreml-Regierung reagiert wenig konsequent auf diese erschütternden Ereignisse. Einerseits verurteilen Präsident Dmitri Medwedew und Premier Wladimir Putin den neofaschistischen Terror. Tatsächlich geht die russische Miliz verstärkt gegen jene Organisationen vor, denen schätzungsweise insgesamt 50000 Neonazis angehören. So wurden Mitte Dezember beispielsweise sieben Mitglieder einer jugendlichen Skinheadbande in Moskau verurteilt, die in den Monaten zuvor 20 Migranten umgebracht haben. Andererseits demonstrieren kremlnahe Jugendorganisationen, wie die »Junge Garde des Vereinigten Rußlands« oder die rund um Moskau aktive Organisation »Mestnje« (die Lokalen) gegen »illegale Einwanderung« und »kriminelle Ausländer«.

So wollten Anhänger der »Junge Garde« am 19. Januar auf dem Moskauer Kasan-Bahnhof einen Zug aus Zentralasien mit fremdenfeindlichen Transparenten empfangen, auf denen Ausländer unter anderem als »Diebe« diffamiert wurden. Verhaftet wurden – von einer Einheit der russischen Sonderpolizei – jedoch linke Demonstranten, die gegen den nationalistischen Aufmarsch protestiert hatten.

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