Liebe Feund/innen von exit und Interessenten kapitalismuskritischer Theorie,
die Krise des Kapitalismus spitzt sich dramatisch zu. Sie zeigt sich schon seit Jahrzehnten in der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, in zerfallenden Staaten, Ausweitung von Kriegen, Flucht und Migration… Dies führte jedoch nicht zu einer breiten kritischen Reflexion dieser Prozesse und ihrer Grundlagen in der kapitalistischen Vergesellschaftung. Im Gegenteil, je mehr sich der Eindruck eines Kontrollverlustes verfestigt und Ängste um sich greifen, dass die Normalität von Wohlstand und Sicherheit ins Wanken gerate, umso mehr prägen Autoritarismus und rechte Orientierungen die Mitte der Gesellschaft. Repression gegenüber Fliehenden geht einher mit verschärftem Sozialabbau und Attacken auf Menschen, die Bürgergeld beziehen.
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Besonders beängstigend ist der wachsende Antisemitismus, der sich nicht zuletzt in linken Bewegungen bereit macht. Antisemitismus artikuliert sich als auf Israel bezogener Antisemitismus in vielen postkolonialen Zusammenhängen und folgt einem unmittelbaren Schema von Tätern und Opfern, das auf kapitalismuskritische Reflexion verzichtet oder diese nur verkürzt betreibt. Und nach wie vor ist die Projektion auf ‚die Juden‘, die als Weltverschwörer und Herren des Geldes vermeintlich hinter allem stecken, global auf bedrohliche Weise virulent.
Im Rahmen des Kapitalismus gibt es keine Auswege aus der Misere. Einen Weg dahin kann nur eine kritische Reflexion der Grundlagen der kapitalistischen Vergesellschaftung in ihrer Durchsetzung bis hin zu seiner immanent nicht mehr lösbaren und sich dramatisch zuspitzenden Krise bahnen. Roswitha Scholz hat zu dieser Reflexion einen wesentlichen Beitrag vor allem dadurch geleistet, dass sie die männlich konnotierten Prozesse der Selbstverwertung des Kapitals in der Produktion von Waren in dialektischer Verschränkung mit der weiblich konnotierten Abspaltung der Reproduktion und ihrer von emotionaler Zuwendung geprägten Tätigkeiten von Versorgung und Pflege begreift. Damit werden auch die kulturell-symbolischen, sozialpsychologischen und ideologischen Seiten dieses Gesellschaftszusammenhangs und damit einhergehend Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Trans- und Homophobie zum Gegenstand der Reflexion.
Scholz‘ Denken erweist sich angesichts der Krisenentwicklungen als ausgesprochen erhellend, weil es auf das Ganze der kapitalistischen Konstitution in der Verwertung von Kapital wie in der Abspaltung der Reproduktion ausgreift und gleichzeitig der Eigenlogik von Rassismus, Antisemitismus etc. Rechnung trägt. Damit setzt Scholz einen wichtigen Gegenakzent gegenüber regressiven Versuchen, die Krise zu bewältigen – sei es durch Klassenkampf und Beschwörungen von Demokratie oder in rechtem Autoritarismus, der mit der Projektion der Krisen auf Fliehende, sozial Abgehängte einhergeht.
Wenn wir all dem die ‚Stirn bieten‘ wollen, brauchen wir eine theoretische Anstrengung, um zu begreifen, was global an Selbstzerstörung ‚seinen Gang geht‘. Erforderlich ist eine kritische Reflexion, in der die Kraft steckt zu ‚unterbrechen‘ und die so auch praktisch dem Bruch mit dem Kapitalismus den Weg bereiten kann. Mit solcher Theorie-‚Arbeit’ ist auf dem Markt kein Geld zu verdienen. Sie kostet Geld.
‚exit!‘ will Texte von Roswitha Scholz aus 30 Jahren Wert-Abspaltungskritik als Buch veröffentlichen und sie für die Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen Krisenphänomenen in all ihren bedrohlichen Facetten gebündelt zugänglich machen. Daher bitten wir eindringlich um finanzielle Unterstützung für diese Projekt, das ca. 4000 EUR kostet.
Verein für kritische Gesellschaftswissenschaften
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