„Junge Welt“, 27.05.2009
In Polen sollen mal wieder die öffentlich-rechtlichen Medien reformiert werden. Das letzte bißchen Pressefreiheit steht auf dem Spiel
Die öffentlich-rechtlichen Medien Polens sollen nach dem Willen der derzeitigen Regierungskoalition aus neoliberaler »Bürgerplattform« (Platforma Obywatelska, PO) und Bauernpartei (PSL) stärker an die Kandare genommen werden. Am vergangenen Donnerstag verabschiedeten die Abgeordneten der Koalition gemeinsam mit den Parlamentariern der oppositionellen sozialdemokratischen »Vereinigung der Demokratischen Linken« (Sojusz Lewicy Demokratycznej, SLD) ein neues Mediengesetz, das eine direkte Finanzierung des polnischen Fernsehens TVP aus dem Staatshaushalt vorsieht. Im Gegenzug sollen die Rundfunk- und Fernsehgebühren abgeschafft werden. Die Regionalsender des polnischen Fernsehens sollen in eigenständige Körperschaften überführt werden, was gemeinhin als Vorstufe zu deren Privatisierung oder Auflösung angesehen wird.
Gegen das Gesetz stimmte nur die oppositionelle rechtskonservative Partei »Recht und Gerechtigkeit« (Prawo i Sprawiedliwosc, PiS) der Kaczynski-Brüder. Die ehemalige Regierungspartei sieht in den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten eine letzte Bastion konservativen und nationalistischen Einflusses, die mittels des neuen Rundfunkgesetzes geschleift werden soll. Die Beteiligung der Sozialdemokraten an der Gesetzesinitiative war unabdingbar, da das Parlament nur mit einer Mehrheit von über 60 Prozent das Veto des Präsidenten Lech ÂKaczynski zurückweisen kann, das dieser bereits angekündigt hat. Es wird spekuliert, ob der Präsident zur Verhinderung dieser Reform das Verfassungsgericht einschaltet.
Nicht nur verbissene Nationalisten sind gegen das Vorhaben. Die Zeitung Rzeczpospolita veröffentlichte am 28. März eine Protesterklärung gegen »die Pläne, die öffentlichen Medien zu schwächen und in Abhängigkeit von der Regierungsverwaltung zu bringen«. Zu den 35 Unterzeichnern zählen die Filmregisseure Andrzej Wajda und Krzysztof Zanussi, der Komponist Krzysztof Penderecki, der Schauspieler Daniel Olbrychski und die Präsidenten nahezu aller größeren Künstlervereinigungen. Der Protestbrief richtet sich explizit auch gegen Tendenzen, die öffentlich-rechtlichen Medien zu privatisieren.
Die direkte Finanzierung seitens des Staates dürfte dessen Einfluß auf die polnischen Medien weiter stärken. Die Neoliberalen um den polnischen Premier Donald Tusk gehen bei ihrem Angriff auf TVP viel weiter, als es die rechtskonservative Vorgängerregierung unter Jaroslaw Kaczynski jemals wagte. Wie die sozialdemokratische Tageszeitung Trybuna am 24. Mai meldete, sollen im Zuge der Reform die gesamten Aufsichtsräte im TVP und auch dem polnischen Radio ausgetauscht werden. Sofern Präsident ÂKaczynski wegen des Reformpakets das Verfassungsgericht anruft, verzögert sich der Personaltausch nach Einschätzung der Springer-Zeitung ÂDziennik bis zum kommenden Herbst.
Die Reform betrifft auch die Zusammensetzung des Entscheidungszentrums der öffentlich-rechtlichen Medien. Der Landesrat für Radio und Fernsehen (KRRiT) soll künftig aus sieben statt bisher fünf Mitgliedern bestehen. Drei werden vom Parlament bestimmt, zwei vom Senat und zwei vom Präsidenten. Das Gremium soll mit fünf Mitgliedern beschlußfähig sein. Im Ergebnis dürfte der Einfluß der Präsidenten-Vertreter im KRRiT geschwächt werden. Die Befugnisse des KRRiT gegenüber den Redaktionen des TVP und des polnischem Radios sollen ausgeweitet werden.
Klar ist, daß die Finanzausstattung der öffentlich-rechtlichen Medien sich im Zuge der Reform verschlechtern wird. Die jetzigen 16 regionalen Fernsehanstalten sollen aufgelöst werden, die Arbeitsverträge sämtlicher Mitarbeiter ihre Gültigkeit verlieren. Ersetzt werden sollen die TV-Anstalten durch Rundfunkgesellschaften, denen Vermögensgegenstände und Frequenzen noch zugewiesen werden.
Im Zentrum der Kritik an der aktuellen Administration von TVP steht mit dem kommissarischen Direktor Piotr Farfal übrigens eine tatsächlich höchst dubiose Figur, die man getrost als Altlast des polnischen Nationalismus bezeichnen kann. In seiner wilden Jugendzeit war der 1978 Geborene ein ordinärer Faschist, der im antisemitischen Hetzblatt Szczerbiec publizierte und in der Nazipartei Nationale Wiedergeburt Polens (NOP) aktiv war. Nach seinem Übertritt zur rechtsextremen »Liga der Polnischen Familien« (LPR), damals Juniorpartner in der Koalition der Kaczynski-Zwillinge, stieg Farfal in Führungspositionen beim Fernsehens auf. Auch gegen die Regentschaft dieses in Schlips und Kragen geschlüpften Faschisten organisierten Intellektuelle Protestaktionen. So riefen Anfang April unter anderem Andrzej Wajda und die Regisseurin Agnieszka Holland gemeinsam mit dem letzten noch lebenden Anführer des Aufstandes im Warschauer Getto, Marek Edelman, zu einem Boykott des öffentlich-rechtlichen Fernsehens am 3. Mai, dem polnischen Nationalfeiertag, auf.
Bislang haben alle polnischen Regierungen nach 1989 versucht, ihren Einfluß auf die öffentlichen Medien zu stärken, auch die rechtskonservative Vorgängeradministration unter Jaroslaw Kaczynski. Die Presse- und Medienfreiheit wird bei diesen Auseinandersetzungen zwischen Neoliberalen und Nationalisten sukzessive aufgerieben. Zwischen Oder und Bug existiert schlicht keine nennenswerte politische Kraft, die sich der Verteidigung der wenigen Freiheitsrechte verschrieben hätte, die uns der in permanenter Barbarisierung begriffene Spätkapitalismus noch übriggelassen hat.