„Junge Welt“, 26.07.2008
Versuch des polnischen Präsidenten, seinen tschechischen Amtskollegen in Sachen EU umzustimmen, scheitert
Nicht nur in Warschau und Prag war das Treffen zwischen dem polnischen Präsidenten Lech Kaczynski und seinem tschechischen Amtskollegen Vaclav Klaus vom Donnerstag mit einiger Spannung erwartet worden. Auch in Brüssel dürfte man die Konsultationen der Höchstrangigen unter den osteuropäischen Kritikern des EU-Vertrages von Lissabon mit Argusaugen verfolgt haben. Allerdings scheint bei dem Polen seit einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen und EU-Ratspräsidenten Nicolas Sarkozy am 14. Juli ein Meinungsumschwung stattgefunden zu haben: Er wolle nicht mehr blockieren, hatte Kaczynski geäußert. Folglich wurde in den Medien Polens darüber spekuliert, ob ihr Staatschef versuchen werde, Klaus zum Einlenken zu bewegen.
Tschechiens Präsident erklärte dazu am Donnerstag abend, man habe nicht versucht, »sich gegenseitig zur Änderung der Haltung in der Frage des EU-Vertrages zu bewegen«. Er selbst lehne das EU-Vorhaben weiterhin prinzipiell ab: »Ich habe offen gesagt, daß ich den Vertrag für einen Fehler halte, etwas sehr Schlechtes für Europa.« Er halte den Iren und ihrem Nein beim Referendum vom Juni weiterhin »die Daumen« und werde im November zu einer Staatsvisite nach Dublin aufbrechen, erläuterte Klaus. Tatsächlich will sich auch die Regierung in Prag mit der Ratifizierung des Vertrages viel Zeit lassen. Laut dem tschechischen Außenminister Karel Schwarzenberg ist eine entsprechende Parlamentsabstimmung frühestens im Oktober – nach den Kommunalwahlen – geplant.
Polens Staatschef erklärte, er sei weiterhin ein »Optimist«: »Wir brauchen Geduld und Zeit«, so Kaczynski auf der gemeinsam mit Klaus abgehaltenen Pressekonferenz. Von Journalisten gefragt, ob der zwischen Sarkozy und ihm in Paris ausgehandelte »Geheimplan« gescheitert sei, verneinte Kaczynski dieses energisch: »Nichts liegt in Trümmern«, gab der Präsident barsch zurück. Polens Medien spekulieren sei langen, was konkret hinter dem mysteriösen »Plan« steckt, den Sarkozy und Kaczynski Mitte Juli in Paris ankündigten und der maßgeblich zum Meinungsumschwung des polnischen Staatschefs beitrug.
Auf der Hand liegt, daß die angeschlagenen polnischen Werften dank des Einlenkens des polnischen Präsidenten in Sachen EU eine dreimonatige Gnadenfrist von der Brüsseler Bürokratie erhalten haben: Deren Rückzahlungsforderung von Subventionen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro hätte die Schiffbauer unverzüglich in den Bankrott getrieben. Das polnische Springerblatt Dziennik will noch von einem weiteren französischen Köder erfahren haben: Demnach soll in Polen eine Autofabrik von Peugeot entstehen, sollte Kaczynski es schaffen, Klaus zur Unterschrift unter den EU-Vertrag von Lissabon bewegen.