„Junge Welt“, 04.07.2008
Stationierung der US-Raketenabwehr in Polen: »Endgültiges« US-Angebot
Der Verhandlungsmarathon zwischen Washington und Warschau bezüglich der Installierung einer »US-Raketenabwehr« in Osteuropa scheint sich seinem Ende zu nähern. Wie die polnische Tageszeitung Rzeczpospolita (3. Juli) berichtete, ging am Mittwoch die letzte Gesprächsrunde zwischen der polnischen und amerikanischen Delegationen zu Ende. Demnach wurde der polnischen Regierung ein »endgültiges« US-Angebot zur Errichtung einer Militärbasis für zehn Abfangraketen in Nordpolen gemacht. Premier Donald Tusk müsse nun entscheiden, ob die in dem – bislang geheimgehaltenen – Vertragsentwurf enthaltenen Zusagen Washingtons zu einer Modernisierung der polnischen Streitkräfte den Forderungen Warschaus genügen, so die Rzeczpospolita.
Die polnische Seite forderte von Washington vor allem die Lieferung moderner Luftabwehrsysteme vom Typ Patriot 3 oder THAAD, um die mit der Stationierung der Raketenabwehr auf polnischen Territorium einhergehenden »Sicherheitsbedrohungen« zu kompensieren, so die offizielle Begründung. Diesbezüglich warnte der sozialdemokratische Politiker Janusz Zemke umgehend nach Bekanntgabe des offiziellen Endes der Verhandlungen, daß die »Raketenabwehr zu einem erstrangigen Ziel eines eventuellen Angriffs« werde könne. Zudem droht Polen eine nachhaltige Eiszeit in den Beziehungen zu Rußland, das die Raketenabwehr als eine Bedrohung seiner nuklearen Abschreckungsfähigkeit ansieht.
Um diese auch in der polnischen Bevölkerung allgegenwärtigen Befürchtungen zu zerstreuen, strebte Warschau US-Militärhilfen in Höhe mehrerer hundert Millionen US-Dollar an – doch daraus scheint nichts zu werden. Nach Informationen der Rzeczpospolita bietet Washington der Tusk-Administration ein bescheidenes militärisches Modernisierungsprogramm von wenigen Dutzend Millionen Dollar an. »Von unserer Seite ist dies alles, wir warten nun auf die Entscheidung Warschaus«, erläuterten die Quellen des konservativen polnischen Blattes innerhalb der US-Verhandlungsdelegation. Trotzdem sei man »zuversichtlich«, zitierte die Zeitung einen Mitarbeiter des US-Außenministeriums. Der im US-Außenministerium für Europafragen zuständige Vizestaatssekretär Daniel Fried sprach sogar von »wahren Fortschritten«.
Die polnische Seite zeige sich hingegen zurückhaltend. Der polnische Verteidigungsminister Bogdan Klich erklärte gegenüber der Presse knapp, daß man zuerst in Erfahrung bringen müsse, ob die von den USA gestellten Bedingungen tatsächlich »endgültig« seien. Am Donnerstag traf sich folglich Premier Tusk mit dem US-Botschafter in Warschau, Victor Ashe, zu einer Unterredung, über deren Inhalt Stillschweigen vereinbart wurde. Tusk gibt sich eher reserviert in der Frage der Raketenabwehr, während der rechtskonservative polnische Präsident Lech Kaczynski auf einen baldigen Abschluß der Verhandlungen drängt: »Ich möchte eine Einigung in der Frage der Raketenabwehr schon im Sommer«, erklärte das polnische Staatsoberhaupt am Mittwoch.