„Junge Welt“, 14.04.2008
Über 200 Verhaftungen nach Auflösung einer verbotenen Demonstration von Neofaschisten in Wroclaw
Etwa 200 Neofaschisten haben am Samstag im polnischen Wroclaw versucht, eine Demonstration durchzuführen. Die hauptsächlich in den Gruppierungen »Nationale Wiedergeburt Polens« (NOP) und »National-Radikales Lager« (ONR) organisierten Rechten wollten mit ihrem Umzug an den 74. Jahrestag der Gründung des ONR in der Zwischenkriegszeit erinnern. Das dezidiert faschistische ONR war in den 30er Jahren führend an antijüdischen Boykottaufrufen, antisemitischen Pogromen und Übergriffen auf die organisierte Arbeiterschaft Polens beteiligt.
Nachdem die Stadtverwaltung Wroclaws die faschistische Zusammenrottung verboen hatte, entschieden sich die Organisatoren des braunen Marsches, eine Ausweichveranstaltung anzumelden. Sie erklärten, der »Opfer des Massakers von Katyn« gedenken zu wollen, bei dem der sowjetische NKWD 1940 Tausende kriegsgefangene polnische Offiziere erschießen ließ. Den an mehreren Punkten der Stadt zusammenströmenden Neonazis stellten sich Mitglieder linker und antifaschistischer Gruppen, wie der »Jungen Sozialisten« oder der »Kampagne gegen Homophobie«, entgegen. Gegenüber den Medien machten die Gegendemonstranten klar, das sie »eine faschistische Demonstration im Zentrum der Stadt nicht tolerieren« werden.
Als einige Extremisten dazu übergingen, Gegendemonstranten zu bedrohen und anzupöbeln, kam es zu heftigen Zusammenstößen. Am Ende der Auseinandersetzungen fand sich ein Neofaschist im örtlichen Krankenhaus wieder, während die Polizei mehrere Antifaschisten festnahm. Der Versammlungsort der Neonazis vor einer im Stadtzentrum gelegenen Kirche wurde kurz nach Beginn ihrer Demonstration von Polizeikräften abgeriegelt. Nach kurzer Zeit erklärte ein Behördenvertreter auch diese Ersatzversammlung des ONR für illegal, da die während der Kundgebung geäußerten Losungen und Parolen »nicht mit ihrem postulierten Thema« in Übereinstimmung stünden. Die Rechten waren laut Augenzeugenberichten kurz nach dem Beginn ihrer Demonstration dazu übergegangen, rassistische und homophobe Parolen zu grölen.
Die Organisatoren des braunen Umzugs weigerten sich, der Aufforderung der Polizeikräfte nachzukommen und ihre Versammlung aufzulösen. Ab 16.45 Uhr gingen Spezialkräfte der Polizei dazu über, alle versammelten Neonazis zu verhaften und in bereitstehende Gefangegentransporter zu verfrachten. Bis 17.30 Uhr wurden nach Angaben von Polizeisprecher Wojciech Wybraniec 204 Rechte aufgegriffen, die aus Platzmangel auf »praktisch alle städtischen Polizeireviere« verteilt werden mußten.