„Junge Welt“, 08.04.2008
Kommunistischer Jugendverband Tschechiens will nach seinem Verbot bis zum Obersten Gerichtshof gehen. Ein Gespräch mit Milan Krajca, Veronica Pazderova-Sykorova und Radim Gonda
Milan Krajca, Veronica Pazderova-Sykorova und Radim Gonda sind Repräsentanten des kürzlich verbotenen Kommunistischen Jugendverbandes (KSM) Tschechiens. Der KSM ist die Jugendorganisation der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens (KSCM)
Am 19. März hat ein Prager Stadtgericht das Verbot des Kommunistischen Jugendverbandes Tschechiens (KSM) bestätigt. Wollen Sie in die Berufung gehen?
Krajca: Das Stadtgericht hat die Entscheidung des Innenministeriums für rechtens erklärt, den KSM zu verbieten, da er angeblich die Menschenrechte verletzt. Das wurde damit begründet, daß wir den Sozialismus anstreben und folglich das Privateigentum an Produktionsmitteln durch kollektive Eigentumsformen ersetzen wollen. Wir werden gegen dieses Urteil aber bis zum Obersten Gerichtshof vorgehen.
Wie wird der Staat jetzt auf dieses Urteil reagieren?
Gonda: Ein Vertreter des Justizministeriums hat bereits Polizeiaktionen angekündigt, falls der KSM seine Aktivitäten fortsetzt. Das heißt: Verfolgung, Gerichtsverfahren und noch mehr Observation und Bespitzelung durch die Geheimpolizei. Wir waren bereits Ziel etlicher Provokationen und Lügen, die das Innenministerium in die Medien lanciert hat. Die Geheimpolizei hat mehrfach versucht, unsere Organisation zu infiltrieren. Wir rechnen sogar damit, daß das Eigentum des KSM, also auch das Büro in Prag, beschlagnahmt wird.
Und die politischen Konsequenzen?
Pazderova Sykorova: Nach dem Verbot des KSM steht nun auch die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens, also Tschechiens (KSCM) auf der Abschußliste. Ein Untersuchungsausschuß soll jetzt ihre Verfassungstreue überprüfen. Dahinter steht JaromÃr Å tetina, ein Senator der tschechischen »Grünen«, der bereits das Verbot der KSCM gefordert hat. Nach zwei Jahren hat er zwar nur 80000 Unterschriften dafür gesammelt, aber er wird von den Medien unterstützt.
In Tschechien ist es jetzt von Staats wegen verboten, junger Kommunist zu sein – Skinheads, die rassistische Texte publizieren, werden hingegen toleriert. Die Argumente des Innenministeriums sind aber nur vorgeschoben – sie wurden auch mehrfach geändert. Jedenfalls haben wir drei Tage nach dem Verbot auf unserem 8. Kongreß im Oktober 2008 beschlossen: Wir kapitulieren nicht – wir werden uns vielmehr zur Wehr setzen. Es gibt eine enorme Welle der Solidarität, auch aus dem Ausland, von kommunistischen Parteien und insbesondere vom Weltbund der Demokratischen Jugend. In Tschechien selbst gibt es ebenfalls viele Proteste.
In anderen Ländern ist die kommunistische Bewegung legal – warum nicht auch bei Ihnen?
Gonda: Es gibt bei uns einen staatlich geförderten Antikommunismus. Immer neue Initiativen werden gegen die kommunistische Bewegung gestartet, gegen jegliche Aktivität, die darauf gerichtet ist, den Kapitalismus durch eine humane, sozialistische Alternative zu ersetzen. Es gibt enorme propagandistische Attacken auf die historische Erfahrung des Volkskampfes gegen den deutschen Faschismus und für den sozialistischen Aufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Man könnte ganze Bücher mit der Beschreibung dieser antikommunistischen Umtriebe füllen.
Daß wir verboten wurden, hängt damit zusammen, daß es in Tschechien neben einer politisch sehr wirksamen Kommunistischen Partei auch eine aktive Jugendorganisation gibt. Beide wenden sich gegen die Ausbeutung und gegen imperialistische Militäreinsätze, an denen Tschechien immer stärker teilnimmt.