Tescos rabiate Methoden

„Junge Welt“, 01.04.2008
Schikanen und Willkür in polnischen Discounter-Filialen weit verbreitet. Gewerkschaften bemühen sich, im Einzelhandel Fuß zu fassen

Polens Gewerkschaftsbewegung versucht derzeit eine ganz besonders harte Nuß zu knacken. Seit Wochen mühen sich etliche Gewerkschaften, die Belegschaften des Tesco-Konzerns, einer der größten Discounter-Ketten Polens, zu organisieren. Der englische Einzelhandelskonzern ist berüchtigt für seine rüden Methoden im Umgang mit Mitarbeitern und Gewerkschaftsaktivisten. Dennoch gelang es der linken Gewerkschaft »Sierpien 80« (August 80) am 20. Februar, in dem südpolnischen Städtchen Tychy den ersten Warnstreik in einer Tesco-Filiale des Landes zu organisieren.

An die 130 Mitarbeiter dieser Niederlassung legten für zwei Stunden die Arbeit nieder, um ihren Forderungen nach einer Erhöhung ihrer Gehälter um 700 Zloty (ca. 200 Euro), der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und einem Tarifvertrag Nachdruck zu verleihen. Derzeit nehmen die meisten der dort Beschäftigten am Monatsende gerade mal netto 800 bis 850 Zloty nach Hause, was bei einem nahezu westeuorpäischen Preisniveau kaum zur Existenzsicherung ausreicht. Seit Oktober 2007 befand sich »Sierpien 80« in Tarifverhandlungen mit der Leitung von Tesco Polska – bisher ergebnislos.

Die Geschäftsführung reagierte auf den zweistündigen Warnstreik mit einem martialischen Aufgebot von privaten Sicherheitsdiensten, die mit Elektroschockgeräten und Schlagstöcken bewaffnet alle Eingänge des Einkaufs­centers blockierten. Einige Dutzend Leiharbeiter wurden als Streikbrecher eingesetzt, während das Management jegliche Kontakte mit seinen protestierenden Beschäftigten ablehnte. Zwei Wochen später folgte die große Abrechnung. Alle am Ausstand beteiligten Angestellten erhielten schriftliche Verwarnungen, in denen ihnen vorgeworfen wurde, »den guten Namen des Arbeitgebers bei seinen Kunden« beschädigt zu haben. Zudem wurden der Belegschaft die Osterprämien in Höhe von 500 Zloty gestrichen.

Die eng mit »Sierpien 80« kooperierende Polnische Arbeitspartei (Polska Partia Pracy – PPP) beklagte unlängst in einer Erklärung die rabiaten, teilweise illegalen Methoden, mit denen Tesco und andere Einzelhandelskonzerne ihre Belegschaften schikanierten. Im gesamten, von westeuropäischen Konzernen dominierten Einzelhandel seien Verstöße gegen das Arbeitsrecht gang und gäbe, wie aus vielen Berichten der staatlichen Polnischen Arbeitsinspektion (PIP) hervorgehe. Die gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter würden eingeschüchtert, schikaniert oder unter fadenscheinigen Begründungen entlassen.

Dennoch gehen einige Gewerkschaften nun in die Offensive. Am 10. März trafen sich in Katowice etliche bei Tesco aktive Arbeiterorganisationen, um über ein gemeinsames Vorgehen gegen den Konzern zu beraten. Neben »Sierpien 80« nahmen an dem Treffen unter anderem Vertreter der sozialdemokratischen Gewerkschaft OPZZ sowie einzelne Mitglieder der eher konservativ ausgerichteten »Solidarnosc« teil. Die Anwesenden konnten sich auf ein gemeinsames Protestkomitee einigen, dem aber die Führung der »Solidarnosc« nicht beitrat. Alle beteiligten Gruppen fordern nun Lohnerhöhungen von 700 Zloty für die in Polen beschäftigten Tesco-Mitarbeiter.

Seit diesem Treffen konnte bereits eine Reihe von Protesten vor Filialen des Discounters durchgeführt werden. Den bisherigen Höhepunkt erreichte die Gewerkschaftskampage am 20. März, als vor der Filiale in Krakow eine große Kundgebung organisiert wurde, an der Delegierte von Niederlassungen aus ganz Polen teilnahmen. Die Zeichen stehen spätestens seit dem 26. März auf Eskalation, nachdem die Geschäftsführung die Verhandlungen mit den drei beteiligen Gewerkschaften unter fadenscheinigen Begründungen platzen ließ.

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