„Junge Welt“, 15.02.2008
Nach den Banken wanken die US-Kreditversicherer. Deren mögliche Pleite könnte katastrophale Kettenreaktionen im Weltfinanzsystem auslösen
Die US-Hypothekenkrise erfaßt weitere Sektoren der globalen Finanzmärkte. Inzwischen gelten Kreditversicherer (sogenannte Monoliner) als akute Pleitekandidaten. Diese Unternehmen spezialisierten sich ursprünglich darauf, Anleihen US-amerikanischer Kommunen auf dem Kapitalmarkt zu versichern, also gegen Prämien das Ausfallrisiko zu übernehmen – sollte mal eine Gemeinde ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen können, müßten die Bondversicherer einspringen.
Doch gerade die der Öffentlichkeit kaum bekannten, als Stütze des Finanzsystems agierenden Kreditversicherer können sich als dessen Achillesverse entpuppen. Denn die wichtigsten Gesellschaften der Branche – wie MBIA, Ambac oder FGIC – sind während der Hochphase des US-Immobilienbooms verstärkt dazu übergegangen, auch Wertpapiere und Finanzprodukte zu versichern, die mit Subprime-Hypothekendarlehen gemischt waren. Diese CDOs (Collateralized Debt Obligations) genannten Hypothekenpakete wurden von den Banken geschnürt und auf den Finanzmärkten feilgeboten.
Es sind gerade die mit faulen Subprime-Hypotheken kontaminierten CDOs, die für den Großteil der bisherigen Verluste und Pleiten internationaler Banken, Investoren und Hedgefonds verantwortlich zeichnen – und die vermeintlichen Kreditversicherer haben viele dieser CDOs, die inzwischen von Insidern als »Giftmüll« oder »Schrott« bezeichnet werden, garantiert. Inzwischen sollen über 40 Prozent der durch die Monoliner abgesicherten Bonds auf solche komplexen Kreditpakete entfallen – bei einer Gesamtversicherungssumme von 2,3 Billionen US-Dollar und einem lächerlichen Eigenkapitalanteil von 0,5 bis 0,75 Prozent. Die Kreditversicherungen wurden wiederum oft selber zu »Wertpapieren«. Als Kreditderivate, sogenannte Credit Default Swaps (CDS), wurden sie – ähnlich den CDOs – munter auf dem Weltfinanzmarkt gehandelt. Die Versicherungssumme der aktuell bedrohten Monoliners macht nur einen Bruchteil des globalen Marktes für Kreditderivate aus, eines Marktes, der längst jeglichen Kontakt mit den wirtschaftlichen Realitäten verloren hat. So sollen auf dem schwer angeschlagenen Autobauer General Motors insgesamt CDS im Papierwert von einer Billion US-Dollar laufen. Mit faulen CDS haben auch Versicherungen gedealt, die nun auf ihnen sitzen bleiben. Selbst die Aktien der ansonsten gut aufgestellten weltgrößten Versicherungsgruppe American International Group (AIG) verloren am Montag massiv an Wert, nachdem klar wurde, daß die Bewertung der CDS des Unternehmens »geändert werden müsse«, die auf mit faulen Hypotheken kontaminierten CDOs abgeschlossen wurden. Das Unternehmen gab zu, derzeit das Ausmaß der notwendigen Abschreibungen nicht angeben zu können.
Sollten die Kreditversicherer tatsächlich in Zahlungsschwierigkeiten kommen, würde dies eine gewaltige Schockwelle durch das gesamte spätkapitalistische Weltfinanzsystem jagen. Banken, Versicherungen, Investmentgesellschaften, Hedgefonds und sonstige »institutionellen« Anleger müßten dann den Wert ihrer versicherten Anleihen hunderttausendfach deutlich nach unten korrigieren und wären zu erneuten Abschreibungen gezwungen. Es würde bereits ausreichen, wenn die Bondversicherer ihre von den RatingÂagenturen aufrechtgehaltenen Höchstbewertungen von »AAA« verlören würden. Selbst der vor kurzem noch eine scheinbar gute Bilanz der Deutschen Bank präsentierende Josef Ackermann warnt inzwischen vor einem »finanziellen Tsunami«, sollten die Bondversicherer das Zeitliche segnen. Inzwischen sollen ausgerechnet mehrere – selbst angeschlagene – Großbanken in den USA darüber verhandeln, ihren »VersicherÂern« mit milliardenschweren Finanzhilfen unter die Arme zu greifen.
Doch seit Dienstag scheint die globale Finanzwelt aufatmen zu können. Die globalen Börsenindizes setzten zu einem regelrechten Kurssprung an, nachdem bekannt geworden war, daß US-Milliardär Warren Buffett den Monolinern angeboten hatte, einen Teil ihrer Verpflichtungen in Höhe von 800 Milliarden US-Dollar zu übernehmen und hierfür fünf Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen. Damit habe der Oligarch »einen Vertrauensbeweis für die Qualität von Anleihen« erbracht, jubelte die Financial Times. Doch bei genauerem Hinschauen wurde klar, daß Buffett nur die kaum mit Risiken behafteten Kreditversicherungen US-amerikanischer Kommunen übernehmen will, also das eigentliche Kerngeschäft der Monoliner. Der vermutlich zweitreichste Mensch der Welt pickt sich somit die Rosinen aus dem Kuchen, während die Bondversicherer auf dem »Giftmüll« aus Versicherungen fauler Hypothekenpakete sitzenbleiben sollen. Ergo: die Reaktion der laut neoliberalem Dogma allwissenden Märkte auf die Buffet-Offerte erwies sich mal wieder als äußerst dämlich und hauptsächlich vom eigenen Wunschdenken beflügelt.
Zu bedenken ist auch, daß die Hypothekenkrise erst im Laufe dieses Jahres ihre volle Wucht entfalten wird. Nämlich dann, wenn Hunderttausenden finanziell klammen Subprime-Hypothekennehmern saftige Erhöhungen der monatlichen Raten ins Haus stehen. Überdies weitet sich die Hypothekenkrise bereits auf die »normalen«, also die Prime-Hypotheken aus, wie die Washington Times am Mittwoch berichtete. Die Bush-Administration sei zur Zeit bemüht, eiligst ein entsprechendes Hilfspaket zu schnüren. Auch finanziell gutsituierte Hypothekennehmer wurden mit niedrigen Einstiegsraten und der Möglichkeit geködert, ohne Eigenkapital Eigenheime zu erwerben. Dennoch sind es nicht nur in den Strudel der beginnenden Rezession geratene Vertreter der Mittelschicht, die inzwischen ihren Verpflichtungen gegenüber den Banken nicht nachkommen können – auch finanziell potente Hypothekennehmer verlassen angesichts fallender Immobilienpreise das sinkende Schiff: Anstatt eine Hypothek für ein Haus von z.B. 400000 Dollar abzustottern, die man vor kurzem ohne Eigenkapital und mit niedrigen Zinssätzen aufgenommen hat, kann man in vielen US-Städten nun vergleichbare Immobilien für 300000 US-Dollar bekommen.