Profite gegen die Welt

„Junge Welt“, 11.02.2008
Ölkonzerne verdienen sich dumm und dämlich – einem Fünftel der Weltbevölkerung drohen indes Hungersnöte und Massenflucht durch Klimawandel

Das renommierte US-Wissenschaftsmagazin Science läßt in seiner aktuellen Ausgabe die Alarmsirenen läuten. In einer umfangreichen, von Klimaexperten verfaßten Studie, wurden die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernährungslage der Menschheit untersucht. Die von dem Journal publizierten Forschungsergebnisse zeichnen ein Alptraumszenario, wie man es eigentlich nur aus Hollywoodfilmen kennt. Aufgrund der massiven Zerrüttung des globalen Nahrungssystems könnte innerhalb der nächsten Dekaden bis zu ein Fünftel der Weltbevölkerung verhungern, Hunderte Millionen Menschen zu Klimaflüchtlingen werden. Hitze, Dürren und die Ausbreitung von Wüsten würden die Ernteerträge ganzer Regionen drastisch reduzieren.

»Wir benutzten historische Daten, um zu ermitteln, welche Regionen am empfindlichsten auf Änderungen der Niederschlagsmengen und der Temperatur reagierten«, sagte Forschungsleiter David Lobell auf einer Pressekonferenz Anfang Februar. Am härtesten von Ernteausfällen würden demnach das südliche Afrika und Südasien betroffen sein. Als weitere künftige Krisengebiete kämen Brasilien und Mittelamerika in Frage. Bereits heute gelten 850 Millionen Menschen als stark unterernährt.

Sie seien überrascht gewesen, wie heftig und wie rasch diese Gebiete von den klimatischen Veränderungen betroffen sein können, wenn man nicht entschieden gegensteuere, erklärten die Wissenschaftler. »Niederschlagsmengen und Temperaturen ändern sich in diesen Regionen sehr schnell«, erläuterte Lobell. So könnten die Ernteerträge aus dem Maisanbau im bereits jetzt von Armut und Unterernährung geplagten südlichen Afrika binnen der nächsten 20 Jahre um 30 Prozent sinken. Im südlichen Asien seien die Ernteerträge bei Raps, Erdnüssen und Hirse in Gefahr. Dies hätte »verheerende Auswirkungen«, hieß es im Bericht.
Exxon mit Rekordgewinn
Die Wissenschaftler um Lobell verbanden die Veröffentlichung ihres Reports mit einem dringenden Appell zum Handeln, um zumindest noch den schlimmsten Auswirkungen der globalen Klimaerwärung vorbeugen zu können. Doch die nahezu zeitgleich publizierte Jahresbilanz des Ölmultis Exxon Mobil dürfte deutlich machen, wieso auch dieser Aufruf zur raschen Reduzierung von Treibhausemmissionen ungehört verhallen wird. Der weltweit größte Ölkonzern hat im vergangenen Jahr mit 40,6 Milliarden US-Dollar (27,3 Milliarden Euro) den höchsten Gewinn eines US-Unternehmens in der gesamten Wirtschaftsgeschichte des Landes erzielt. Der Umsatz des Konzerns von 404,5 Milliarden US-Dollar (272 Milliarden Euro) bewegte sich dabei in Dimensionen des Bruttoinlandsproduktes mittlerer Staaten. Südafrika, die größte Volkswirtschaft des südlichen Afrika, erzielte 2006 eine Gesamtwirtschaftsleistung von umgerechnet 255 Milliarden US-Dollar.

Doch nicht nur Exxon profitiert von den Rekordpreisen für Energieträger. Die fünf weltgrößten Ölkonzerne haben ihre jährlichen Profite von 2001 bis 2007 von knapp 40 auf über 120 Mil­liarden US-Dollar rundweg verdreifacht. Neben Exxon gehören diesem Klub noch BP (Großbritannien), Shell GB/Niederlande), Chevron-Texaco (USA) und die französische Firma Total an.

Vor allem die US-Konzerne genießen eine nahezu totale Unterstützung seitens der derzeitigen Administra­tion in Washington. Die USA sind der größte Verursacher von Treibhausgasen. Nahezu ohnmächtig angesichts dieser Rekordprofite kommentierte Da­niel J. Weiss vom progressiven Think Tank Center for American Progress: »Präsident Bush verbrachte einen Gutteil seiner Amtszeit damit, die großen Ölgesellschaften zu verteidigen, und es zahlte sich aus. Im Dezember verhinderte er geplante Steueranreize für Wind- und Solaranlagen, für alternative Antriebe, für Energieeffizienz und saubere Autos – all das tat er, um die Eliminierung von Steuerschlupflöchern für Ölkonzerne zu verhindern.« Eine vom US-Institute for Policy Studies jüngst veröffentlichte Erhebung zeigt zudem das Mißverhältnis zwischen den US-Ausgaben für den allmächtigen militärisch-industriellen Komplex und denen für Umweltfragen. Auf jeden von Washington in den Klimaschutz investierten US-Dollar kommen 88 für das Militär, so die Schlußfolgerung des »Militär gegen Klimasicherheit« getauften Reports. Magere 212 Millionen US-Dollar investieren die USA, um Entwicklungsländern dabei zu helfen, regenerative Energiequellen zu erschließen.
Merkel setzt auf Kohle
Zumindest ergehen sich die derzeit noch das Weiße Haus okkupierenden Ölmänner um George W. Bush nicht in heuchlerischen Appellen zum Klimaschutz. Um einiges schmieriger ist da die Politik der sich als Vorreiter beim Klimaschutz gerierenden Bundesregierung. Die BRD ist der größte Verursacher von Treibhausgasen innerhalb der EU. und Kanzlerin Angela Merkel läßt keine Gelegenheit aus, um zum Kampf gegen die Klima­erwärmung aufzurufen. Zugleich läßt die Bundesregierung auf Wunsch der Stromkonzerne das Land mit neuen, besonders klimaschädlichen Kohlekraftwerken zupflastern. Merkel wehrt zudem sich verbissen gegen die von der EU angestrebte Entflechtung der eine Monopolstellung innehaltenden Stromkonzerne, die ebenfalls jährlich Rekordprofite einfahren. Überdies übt Berlin massiven Widerstand gegen jegliche EU-Klimaschutzinitiative, die von der allmächtigen Autolobby als ein Wettbewerbsnachteil angesehen wird. Ob in Berlin oder Washington: Der Spätkapitalismus ist trotz allem Medienrummel nicht in der Lage, adäquat auf die Klimaerwärumng zu reagieren, da einfach zu viele mächtige Kapitalfraktionen unglaublich gut am Status quo verdienen.

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