Leicht gekürzt in „Junge Welt“, 31.12.2007
Rußlands Waffenschmieden konnten auch 2007 ihre Exporte steigern. Neue Absatzmärkte erschlossen
Es schien so, als ob kurz vor Jahresende eine geopolitische Bombe gezündet würde. Die Behauptung des iranischen Verteidigungsministers Mostafa Mohammad Nadschar aus der vergangenen Woche, sein Land werde moderne Flugabwehrraketen in Moskau erwerben, stieß folglich auf unverzügliche Kritik der USA. »Die Aussicht auf einen solchen Waffenverkauf an den Iran… ist ein Grund zur ersten Sorge«, erklärte Regierungssprecher Scott Stanzel. Doch die entsprechenden staatlichen Stellen Rußlands beeilten sich, die Gerüchte zu dementieren. Die Frage der Lieferung von S-300-Raketenkomplexen an den Iran sei »nicht aktuell«, verlautete aus Moskau. Die modernen Luftabwehrraketen gelten als das russische Gegenstück zum US-Patriot-System und sind bei einer Reichweite von 47 Kilometern in der Lage, auch Marschflugkörper und ballistische Raketen abzuschießen.
Dabei wäre dieser militärische Hightech-Deal gar nicht so überraschend, da russische Militärtechnik schon längst bei der iranischen Luftabwehr Verwendung findet. Die für kurze Entfernungen ausgelegten russischen Tor-M1 Luftabwehrsysteme (Reichweite: 12 Kilometer) verteidigen laut RIA-Novost bereits das im Bau befindliche Atomkraftwerk in Bushehr. Zusammen mit den S-300 Systemen könnte Iran laut der Zeitung ‚Iswestija‘ ein ‚vollwertiges, tief gestaffeltes modernes Luftabwehrsystem schaffen,‘ das selbst einen technisch weit überlegenen Angreifer vor ernste Probleme stellen würde. Laut RIA-Novosti wurde die Informationen über den bereits paraphierten Vertrag, der die Lieferung von ’30 bis 40 S-300-Komplexen‘ vorsieht, absichtlich in Umlauf gebracht, um die ‚Reaktion der interessierten Seiten zu sondieren.‘ Bei einer Zuspitzung der Situation oder der Drohung mit Sanktionen könne das Ganze mit dem Paraphieren auch sein Bewenden haben, so die Nachrichtenagentur.
Doch selbst ohne Berücksichtigung dieses spektakulären Deals befindet sich Rußlands militärisch-industrieller Komplex weiterhin in einer stürmischen Expansion. 2007 exportierten die russischen Waffenschmieden Militärgerät im Rekordwert von sieben Milliarden US-Dollar; im Vorjahr lag der Wert der Waffenexporte bei 6,5 Milliarden. Seit 2000 haben sich die russischen Waffenverkäufe sogar verdoppelt, und auch für 2008 wird mit einem neuen Ausfuhrrekord von 7,5 Milliarden US-Dollar gerechnet. Der Militärsektor bildet den einzigen russischen Wirtschaftszweig, der auch international »konkurrenzfähig« ist, wobei China und Indien dessen wichtigste Absatzmärkte« bilden, die in der postsowjetischen Periode zwischen 60 und 80 Prozent aller Exporte aufnahmen. Erst ab 2006 gelang es Rußland, neue Käufer zu finden. So wurde mit Algerien ein langfristiger Vertrag über die Lieferung von Militärtechnik im Wert von 7,5 Milliarden US-Dollar abgeschlossen.
Überdies baute Moskau mit Venezuela eine enge militärische Kooperation auf, die auch weiterhin vertieft wird. 2006 lieferte Rußland 24 Kampfflugzeuge des Typs SU-30, Kampf- und Transporthubschrauber sowie Maschinengewehre an Venezuela. Bis 2010 sollen Fabriken zur Herstellung von AK-47-Maschinenpistolen und der entsprechenden Munition aufgebaut werden. Insgesamt betragen die russischen Waffenlieferungen an Venezuela bereits vier Milliarden US-Dollar, doch es gibt noch weitere Projekte: Präsident Hugo Chávez äußerte kürzlich Interesse am Erwerb von 5000 Dragunow-Scharfschützengewehren, um sein Land vor einem »Angriff der USA« zu schützen.