„Junge Welt“, 13.12.2007
Preise auf dem US-Immobilienmarkt weiterhin im freien Fall. Rapider Anstieg von Zwangsvollstreckungen
Mittlerweile greift die US-amerikanische Wirtschaftspresse nach jedem Strohhalm, um endlich mal positive Nachrichten über den US-Immobilienmarkt publizieren zu können. Wie die Maklervereinigung National Association of Realtors vor kurzem meldete, stieg die Anzahl der weiterverkauften Wohnhäuser in den Vereinigten Staaten im zweiten Monat in Folge »unerwartet stark« an. Innerhalb der Monate September und Oktobers seien die Verkäufe gebrauchter Häuser um zwei Prozent gegenüber dem August gestiegen, nachdem diese im Sommer den »größten Einbruch seit der Einführung dieser Statistik im Jahr 2001« erlebten. Man »kratze jetzt am Boden«, so der Ökonom Richard DeKaser gegenüber dem Nachrichtenagentur Bloomberg.
Der Haken dabei ist: Ein Großteil des Handels mit diesen Häusern basiert auf Zwangsvollstreckungen. Deren Zahl könnte im laufenden Jahr die Rekordmarke von 1,3 Millionen erreichen, was dazu führen würde, daß die Immobilienpreise noch weiter in den Keller rutschen. Der US-Immobiliendienstleister Housing Predictor geht davon aus, daß bis 2009 an die drei Millionen Familien aufgrund der Krise ihre eigenen vier Wände verlieren werden, weil sie die Raten für die Hypotheken nicht mehr aufbringen könnten.
Die Preise befinden sich im freien Fall. So ist der Durchschnittserlös für verkaufte Wohnhäuser im Oktober gegenüber dem Vormonat um sagenhafte 8,6 Prozent eingebrochen, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sank das mittlere Preisniveau um 13 Prozent. Dennoch fanden im Oktober nur 770000 Wohnimmobilien einen Käufer 43,3 Prozent weniger als im Oktober 2005 auf dem Höhepunkt des Booms in den USA.
Damals wurden US-Bürgern mit einer schlechten Bonität millionenfach sogenannte »Subprime-Hypotheken« aufgeschwatzt. Um das höhere Ausfallrisiko auszugleichen, sind diese höher und vor allem variabel verzinst. Mit niedrigen Anfangszinssätzen wurden die Kreditnehmer von den Hypothekenbanken geködert, doch nun stehen binnen 18 Monaten an die zwei Millionen Subprime-Hypotheken zur Zinserhöhung an, was für die betroffenen Haushalte Mehrbelastungen von mehreren hundert Dollar pro Monat mit sich bringen wird.
Der Kollaps des Immobilienmarktes und die drohende Rezession avancierten inzwischen zu einem wichtigen Thema des US-Vorwahlkampfs, sodaß sich die Bush-Administration zum Handeln genötigt sah. Der von Finanzminister Henry Paulson am 6. Dezember angekündigte »Rettungsplan« für bedrängte Hypothekennehmer entpuppt sich bei genauerem Hinsehen aber als reine Schadensbegrenzung für das US-Finanzkapital, das bereits Milliarden nach dem Platzen der Seifenblase verloren hat. Im Kern haben sich Regierung und Kreditgeber sowie sonstige »Investoren« darauf geeinigt, die Zinssätze für einen Teil der bonitätsschwachen Kreditnehmer für bis zu fünf Jahre einzufrieren. Doch neuesten Studien zufolge können nur 240000 von zwei Millionen Subprime-Hypothekennehmern darauf hoffen, den Anfangszinssatz beibehalten zu können. Ausgeschlossen vom Rettungsplan sind nämlich die Schuldner, die nach Ansicht der Kreditgeber auch nach der Zinserhöhung ihre Hypotheken bedienen können, sowie all diejenigen, die schon vor der Zinserhöhung in Zahlungsverzug gerieten – diese Menschen werden offensichtlich von Investoren, Banken und Bush-Administration als »Verlust« abgeschrieben.
Wenn schon das Finanzkapital bereit ist, seine Profitrate deutlich abzusenken, dann muß die Krise in der Tat existentiell sein. Die New York Times versuchte sich jüngst an einer Bezifferung des Gesamtschadens, den die Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt anrichten könnte. Demnach sollen bis zu vier Billionen US-Dollar an Vermögen »vernichtet« werden, bei einem Gesamtwert der US-Immobilien von 21 Billionen US-Dollar, so das Fazit der Zeitung.
Einen nicht unerheblichen Anteil zu dieser astronomischen Summe werden die faulen CDOs (Collateralised Debt Obligations) beitragen, auf denen etliche Banken und Investoren sitzen. In den CDOs wurden Bündel von Hypotheken geschnürt und weiterverkauft, um an Kapital für neue Hypothekenkredite zu kommen. Dieses finanzwirtschaftliche Perpetuum-Mobile mit den teilweise hochverzinslichen CDOs lief wie geschmiert und verstreute die Schuldverschreibungen US-amerikanischer Häuslebauer in alle Ecken des Weltfinanzsystems – diese CDOs wurden global von einem Marktteilnehmer zum nächsten nach einer Spekulationsfrist wie heiße Kartoffeln weitergereicht. Doch nun sitzen etliche Schwergewichte des Finanzmarktes auf einen Berg eigentlich wertloser »Wertpapiere«, in denen faule Subprime-Hypotheken gebündelt wurden. Und selbst die von der New York Times geschätzten vier Billionen Dollar Verlust könnten sich als viel zu optiÂmistische Prognose entpuppen.