„Junge Welt“, 28.09.2007
Parlamentswahlen in der Ukraine dürften politische Dauerkrise in dem zerrissenen Land kaum beenden
Wenige Tage vor den ukrainischen Parlamentswahlen am Sonntag intensivieren alle politischen Parteien ihre rhetorischen Angriffe. Die in der OstÂukraine beheimatete rußlandfreundliche »Partei der Regionen« des Premiers Viktor Janukowitsch warf den prowestlichen Kräften am Mittwoch vor, die Wahlen massiv »behindern« zu wollen. Es gebe laut Presseberichten innerhalb der Führung des »Blocks Julia Timoschenko« (BJT) genaue Planungen, mit juristischen Klagen die Rechtmäßigkeit der Wählerlisten in der südlichen und östlichen Ukraine anzuzweifeln. Die Kommunistische Partei der Ukraine beschuldigte schon vor mehreren Tagen den BJT und die Präsidentenpartei »Unsere Ukraine«, eine Delegitimierung der Abstimmung anzustreben, um eine »direkte Präsidialherrschaft« einzuführen.
Proteste in Vorbereitung
Politiker von »Unsere Ukraine« behaupten wiederum, daß der Kiewer Bürgermeister eine großangelegte Kampagne zum Stimmenkauf für die Partei der Regionen betreibe. Präsident Viktor Juschtschenko machte Premier Janukowitsch für die Durchführung einer »ehrlichen und transparenten Wahl« persönlich verantwortlich – nur um kurz darauf einen fairen Verlauf der Stimmabgabe anzuzweifeln: »Wieso spricht Janukowitsch bei jeder Wahlkampfveranstaltung von Fälschungen? Weil er selber Wahlfälschungen plant«, so die etwas krude Logik des Präsidenten.
Laut Medienberichten bereiten sich schon jetzt etliche Parteien auf Proteste vor, die ähnlich der vom Westen finanzierten »orangen Revolution« von 2004 ablaufen sollen. Die Partei der Regionen rekrutiert innerhalb ihrer Anhängerschaft Demonstranten, die nach dem 30. September in Kiew auf die Straße gehen sollen. Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt wurden bereits erste Zelte von Janukowitsch-Anhängern errichtet. Auch die Führung der Kommunisten schließt spätere Proteste nicht aus: »Die Kommunistische Partei will solche Massenaktionen noch nicht organisieren; wir wollen zuerst das Wahlergebnis am 30. September abwarten«, erklärte die kommunistische Parlamentsabgeordnete Katerina Samolnik.
Die Europäische Union rief alle Parteien des Landes zu einer »schnellen Regierungsbildung« nach der Wahl auf, doch dürfte dieser Appell kaum Gehör finden. Im Gegenteil wird das als äußerst knapp prognostizierte Abstimmungsergebnis die Spannungen wahrscheinlich weiter anheizen. Beide Lager liegen den letzten Umfragen zufolge in etwa gleichauf, so daß sowohl die »Partei der Regionen« wie auch »Unsere Ukraine« mit dem BJT eine Mehrheit im Parlament stellen könnten. Die Partei des Premiers kann auf 29 bis 34 Prozent der Stimmen rechnen, zwischen 19 und 25 Prozent der Wähler würden sich für den »Block Julia Timoschenko« entscheiden, während für die Präsidentenpartei »Unsere Ukraine« nur noch 10 bis 13 Prozent erwartet werden. Die andauernden, das ukrainische Staatswesen zerrüttenden Auseinandersetzungen können nach Ansicht von Beobachtern bis zur Präsidentschaftswahl 2009 andauern.
Dreiparteienparlament?
Mehrere kleinere Parteien und Bündnisse kämpfen hingegen um den Einzug in das ukrainische Parlament, so daß tatsächlich nur noch die drei großen Gruppierungen in der künftigen Volksvertretung präsent sein könnten. Die Kommunisten, einstmals eine der stärksten Parteien des Landes, könnten an der Dreiprozenthürde scheitern, sie werden je nach Umfrage bei 2,7 bis fünf Prozent gesehen. Sollten die Kommunisten bei einem knappen Wahlresultat dennoch den Sprung ins Parlament schaffen, könnten sie zum Königsmacher bei der Regierungsbildung avancieren. Die an der »orangen Revolution« beteiligten Sozialisten werden hingegen mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht mehr in der Obersten Rada vertreten sein, da ein Teil ihrer Anhängerschaft deren Teilnahme an der Regierungskoalition mit Janukowitsch zum Anlaß nahm, der Partei den Rücken zu kehren. Geringe Aussichten auf einen Einzug ins Parlament haben überdies der zentristische »Block Litwin« und die nationalistische Partei »Swoboda«