„Junge Welt“, 04.06.2007
Pünktlich zum Bush-Besuch in Tschechien: Weitere Dörfer lehnen US-Raketenabwehr eindeutig ab
Tschechiens konservativer Regierungschef Mirek Topolanek fährt inzwischen die ganz großen Geschütze auf, um die Beteiligung seines Landes am »Raketenschild« der USA zu legitimieren: Nichts weniger als das »Ende der Zivilisation« drohe Europa, sollte das von Rußland energisch abgelehnte »Raketenabwehrsystem« nicht errichtet werden. Falls die europäischen Staaten nicht »ihren Willen zur Freiheit« zeigen würden, »droht ihnen die Vernichtung«, so der tschechische Regierungsapokalyptiker auf einer Konferenz Ende vergangener Woche.
All die Weltuntergangsrhetorik Topolaneks scheint aber wenig gefruchtet zu haben: Die klare Bevölkerungsmehrheit sowohl in Tschechien als auch in Polen lehnt die US-Pläne entschieden ab. In Tschechien sollen die Radaranlagen, im nordöstlichen Polen die dazugehörigen Silos mit Abfangraketen errichtet werden. Von der Stimmung in der Bevölkerung seines Landes konnte sich Topolanek am Wochenende erneut überzeugen, als drei weitere Dörfer ein Referendum über die Raketenbasis abhielten. In Zajecov stimmten 728 von 740 Wahlberechtigten mit »Nein«, in Hvozdany lehnten 381 von 409 Bürgern die Pläne ab und im Dörfchen Tene votierten nur drei Wähler für das Vorhaben – bei 142 abgegebenen Stimmen. Tene liegt nur etwa zehn Kilometer von dem Militärgelände Brdy entfernt, auf dem die Errichtung der Radarstation geplant ist. Vor wenigen Wochen haben sich bereits mehrere andere Dörfer in Referenden gegen die Raketenabwehr ausgesprochen.
Die Ergebnisse dieses jüngsten Referendums sind zwar rechtlich nicht bindend, da über die Stationierung der US-Anlage das tschechische Parlament entscheidet – höchstwahrscheinlich Anfang 2008. Doch haben die Organisatoren der Volksbefragung einen günstigen Zeitpunkt gewählt, da US-Präsident George W. Bush am heutigen Montag zu einer zweitägigen Visite in Tschechien erwartet wird, um mit Topolanek und Präsident Vaclav Klaus das weitere Vorgehen abzusprechen. Gegner der Washingtoner Eskalations- und Militarisierungsstrategie kündigten im Vorfeld massive Proteste an: Zehn Protestkundgebungen und Demonstrationen sind geplant.