„Junge Welt“, 18.05.2007
Staatlicher Bergbaukonzern Polens geht mit rabiaten Methoden gegen die linke Gewerkschaft »August 80« vor
Die Kompania Weglowa S.A. ist der größte Bergwerkskonzern der EU. Das vom polnischen Staat kontrollierte Unternehmen beschäftigt im schlesischen Revier nahezu 66000 Arbeiter und Angestellte, die jährlich 55 Millionen Tonnen Steinkohle fördern. Vor einigen Jahren noch als Dinosaurier der Industrialisierung verschrien und zum baldigen Aussterben verurteilt, kann sich die Gesellschaft inzwischen vor allem wegen der steigenden Rohstoffpreise, auch auf den Weltmärkten durchaus behaupten. 2005 erwirtschaftete die Kompania sogar einen Gewinn von umgerechnet 50 Millionen Euro, der knappe Verlust von etwa 13 Millonen Euro im folgenden Jahr war vor allem auf einige schwere Bergwerksunglücke zurückzuführen.
Obwohl immer noch im Staatsbesitz, geht das Unternehmen rigoros gegen Gewerkschafter vor. So entließ vor einer Woche die Betriebsführung des Steinkohlenbergwerks »Szczyglowice« drei Aktivisten der linken Gewerkschaft »August 80«. Betroffen sind der Vorsitzende des betrieblichen Gewerkschaftskomitees, Kazimierz Lubowicki, sowie dessen Stellvertreter, Zbigniew Kowalski und Marcin Placzka. Die Betriebsleitung begründete ihre Maßnahme mit einem spontanen zweitägigen Streik Ende April, den die Gewerkschafter von »August 80« unterstützen. Der Ausstand der gesamten Belegschaft endete am 27. April mit dem Abschluß einer neuen Lohnvereinbahrung. Trotzdem wurde er nun von der Kompania Weglowa als »illegal« bezeichnet.
Neben den Gewerkschaftern in »Szczyglowice« ist auch ein im Steinkohlebergwerk »Halemba« tätiger Aktivist von »August 80« diversen Schikanen und anonymen Drohbriefen ausgesetzt. Die linke Gewerkschaft »August 80« ist laut Selbsteinschätzung die drittgrößte, landesweit aktive Arbeiterorganisation Polens. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt im schlesischen Industrierevier, insbesondere im Kohlebergbau, zudem bemühen sich die Aktivisten, die Lohnabhängigen im Dienstleistungssektor Polens gewerkschaftlich zu organisieren.
Auf einer am Dienstag vor dem Betriebstor des Bergwerks »Szczyglowice« abgehaltenen Demonstration protestierten mehrere hundert Arbeiter und Gewerkschafter gegen das Disziplinarverfahren und die Entlassungen. Während der Demonstration bezeichnete der Vorsitzende von »August 80«, Boguslaw Zietek, das Vorgehen der Kompania Weglowa als einen »drastischen Verstoß gegen das Arbeitsrecht, der die Einschüchterung und Zerschlagung einer Gewerkschaft zum Ziel hat, die mit voller Unterstützung der Belegschaft gegen die Privatisierung des Bergbaus, Arbeitsrechtsverstöße und Lohndumping kämpft«.
Im Gespräch mit junge Welt betonte Zietek, daß dieses repressive Vorgehen gegenüber Gewerkschaften Teil der Regierungspolitik der rechtskonservativen Partei »Recht und Gerechtigkeit« der Kaczynski-Zwillinge sei, der dominierenden Kraft der derzeitigen Regierungskoalition. Im November 2006 habe die Kompania Weglowa unter ähnlich fadenscheinigen Vorwürfen einen Aktivisten des »August 80« aus dem Bergwerk »Budryk« entlassen, es bestehe hier also eine gewisse Kontinuität. Doch Zietek gab sich auch optimistisch, da im Februar 2007 ein Arbeitsgericht die Entlassung des Brudyk-Gewerkschafters für rechtswidrig erklärt hatte, der im Rahmen eines spontanen Warnstreiks an einer zweistündige Betriebsblockade beteiligt war. Einen ähnlichen Prozeßausgang erwarte er nun auch in dem jüngsten Fall, so Zietek.