„Junge Welt“, 07.05.2007
Ukraine: Krise vorerst beigelegt. Wahltermin könnte für neuen Konfliktstoff sorgen
Der über einen Monat das politische System der Ukraine lähmende Machtkampf zwischen dem Staats- und dem Regierungschef des Landes scheint beigelegt. Am vergangenen Freitag einigten sich die politischen Kontrahenten, der prowestliche Präsident Viktor JuschÂtschenko und Regierungschef Viktor Janukowitsch, auf vorgezogene Parlamentswahlen. Eine mit Vertretern aller wichtigen Regierungs- und Oppositionskräfte besetzte Arbeitsgruppe soll bis zum heutigen Montag konkrete Vorschläge für einen Termin erarbeiten und die Wahlvorbereitungen koordinieren.
Juschtschenko erklärte sich bereit, seinen Erlaß über die Auflösung des Parlaments vom 2. April aufzuheben, der zur Eskalation der aktuellen Krise führte. Am Samstag erklärte der Präsident, daß die Oberste Rada – das ukrainische Parlament – bereits am morgigen Dienstag »eine Entscheidung zu den vorgezogenen Wahlen treffen« werde. Der wochenlang finanziell blockierten »Zentralen Wahlkommission der Ukraine« wurden am Wochenende umgerechnet 2,06 Millionen Euro für die Aufstellung eines Wählerregisters bewilligt. Zudem fingen ebenfalls am Wochenende die Anhänger der Regierungskoalition an, ihre für wochenlange Demonstrationen eingerichteten Zeltlager im Herzen Kiews allmählich abzubauen.
Die Konfliktparteien einigten sich überdies darauf, mit einer Arbeitsgruppe an der »Vervollkommnung der ukrainischen Verfassung« zu arbeiten, wie die russische Nachrichtenagentur itartass berichtete. Vertreter der Parlamentsparteien, des Präsidenten und des Premiers sollen »auf paritätischer Basis« in diesem Gremium vertreten sein, das Verbesserungsvorschläge für etliche unklare und doppeldeutige Passagen der erst 2006 in Kraft getretenen Verfassung ausarbeiten soll.
Der konkrete Wahltermin könnte aller neuen Harmonie zum Trotz für weiteren Konfliktstoff sorgen. Gegenüber den Medien sprach sich Präsident Juschtschenko für einen baldigen Urnengang im Juli aus, während Premier Janukowitsch den Herbst dieses Jahres als realistischen Wahltermin ansieht. Der Regierungschef will zudem den errungenen Kompromiß auch nicht als »Sieg« des Präsidenten gelten lassen: »Wir werden diejenigen besiegen, die Neuwahlen gefordert und die Situation im Land destabilisiert haben«, erklärte Janukowitsch vor seinen Anhängern am Wochenende in Kiew.