„Junge Welt“ 07.10.06
Aserbaidschan rüstet massiv auf – mit Dollars aus dem Verkauf des Schwarzen Goldes. Drohungen gegen Armenien
Beflügelt von sprudelnden Einnahmen aus seinen Ölexporten schlägt die Führung des südkaukasischen Staates Aserbaidschan gegenüber der Nachbarrepublik Armenien zunehmend aggressivere Töne an. Aserbaidschan werde alles Notwendige tun, um seine »territoriale Integrität« wiederherzustellen, erklärte der aserbaidschanische Präsident Ilcham Alijew jüngst vor dem Parlament in Baku. Die Erhöhung des Rüstungshaushalts bedeute aber nicht, daß Aserbaidschan einen Krieg beginnen wolle, versicherte Alijew. »Ein Krieg wäre der letzte Ausweg. Doch jedes Land muß darauf gefaßt sein, insbesondere wenn seine Gebiete besetzt sind.«
Alijews Drohgebärden spielten auf einen weiteren, »eingefrorenen« Konfliktherd im Kaukasus an, auf die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region Bergkarabach, die sich in einem der blutigsten Sezessionskriege, die im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion geführt wurden, von Aserbaidschan abspaltete. Als am 12. Mai 1994 nach sechsjährigem Krieg die Waffen endlich schwiegen, waren fast 40 000 Menschen tot, über eine Million vertrieben und 14 Prozent des südwestlichen Territoriums Aserbaidschans von Armeniern besetzt. Seitdem konstituierte sich auf diesem Gebiet eine international nicht anerkannte »Republik Bergkarabach«, die über enge militärische und wirtschaftliche Beziehungen zu Armenien verfügt. Trotz offizieller Friedensverhandlungen gibt es bis heute keinen Durchbruch in der Beziehung zwischen Armenien und Aserbaidschan.
Die Spannungen zwischen beiden Ländern nahmen seit der Fertigstellung der Baku-Ceyhan-Pipeline zu, die aserbaidschanisches Öl über Georgien in die Türkei transportiert und Aserbaidschan riesige Deviseneinnahmen beschert, die zum guten Teil in den Verteidigungshaushalt des Landes fließen. Gab der südkaukasische Staat 2004 175 Millionen US-Dollar für militärische Zwecke aus, so lagen diese 2005 bei 300 Millionen und 2006 bei 650 Millionen US-Dollar. Armenien ist nicht in der Lage, am Rüstungswettlauf teilzunehmen, seine Militärausgaben wurden 2006 von 125 auf 150 Millionen US-Dollar erhöht.
Trotz offiziell immer wieder bekundeter Bedenken wegen der miserablen Menschenrechtslage in Aserbaidschan nimmt die Kooperation des Westens mit dem ölreichen Land zu. Die Baku-Ceyhan-Pipeline wird von einem Konsortium unter Führung US-amerikanischer und britischer Ölkonzerne (BP, Unocal) betrieben, und auch die militärische Zusammenarbeit mit den USA gewinnt an Dynamik. Aserbaidschan gilt neben Georgien als einer der engsten Verbündeten der USA in der Region. In diesem Jahr besuchte Präsident Alijew Washington. 2005 reiste US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gleich dreimal nach Baku. Bei einem Treffen am 19. Mai zwischen dem aserbaidschanischen Verteidigungsminister Safar Abjew und dem Kommandanten der US-Air Force in Europa, Tom Hobbins, wurde eine Intensivierung der Kooperation der Luftstreitkräfte beider Länder vereinbart. Hobbins lobte bei dieser Gelegenheit die Fortschritte, die Aserbaidschan im Rahmen des NATO-Programms »Partnerschaft für den Frieden« gemacht habe, die das Land der Allianz näher brachten. Er machte die »destruktive Politik Armeniens« für die »anhaltende Instabilität« in der Region verantwortlich.
Armenien kann hingegen auf die traditionelle Unterstützung Rußlands hoffen. An die 5000 russische Soldaten aller Waffengattungen sind in dem Land stationiert. Rußland und Armenien unterzeichneten 1997 einen weitgehenden Freundschaftsvertrag, der beide Länder zum militärischen Beistand im Falle einer Bedrohung verpflichtet.