„Junge Welt“ vom 07.07.06
Realsatire in Washington: Georgiens Staatschef stärkt US-Präsidenten den Rücken und hofft auf westliche Unterstützung
Es war wohl doch etwas zuviel des Guten: Mit fortschreitender Pressekonferenz wurden George W. Bush die ans Lächerliche grenzenden Lobpreisungen seines georgischen Amtskollegen, Michail Saakaschwili, sichtlich peinlich. »Eines kann ich Ihnen sagen, Mr. Präsident: Ihre Freiheitsagenda funktioniert«, sagte Saakaschwili am Mittwoch in Washington. »Ich meine, wir können es in Georgien sehen. Wir sehen es im Irak. Und bitte bleiben Sie dort, bitte kämpfen Sie bis zum Ende. Wir werden an Ihrer Seite bleiben, was auch immer passiert, weil Ihr Erfolg im Irak ist auch ein Erfolg für Länder wie Georgien.«
Diese einer Realsatire nicht unähnliche Hommage des georgischen Präsidenten auf Bushs »Freiheitsagenda« soll diesen aber nicht nur innenpolitisch in einer Situation entlasten, in der die Zahl der Kriegsbefürworter in den USA beständig neue Tiefststände erreicht. Es findet sich auch ein Kern Wahrheit darin, denn Georgien hat sich unter Saakaschwili bedingungslos auf die Seite Washingtons geschlagen. Das Schwarzmeerland mit seinen 4,7 Millionen Einwohnern stellt 900 Besatzungssoldaten im Irak – lediglich Großbritannien und Südkorea haben größere Kontingente zur Verfügung gestellt.
Eine weitere Gemeinsamkeit weisen beide Staatschefs auf: Saakaschwili verliert in seinem Land ebenfalls rapide an Popularität. Deshalb revanchierte sich der US-amerikanische Präsident mit einigen für die georgische Öffentlichkeit bestimmten Nettigkeiten. Diese umreißen überdies die Zielsetzung des Treffens:«Ich versicherte dem Präsidenten Georgiens, daß wir uns zutiefst um die Menschen Georgiens kümmern«, erklärte Bush neben einem freudestrahlenden Saakaschwili. Und weiter: »Mein Freund, der Präsident, würde hier nicht sitzen, wenn ich nicht an Georgien denken würde.«
Die führenden US-Politiker denken tatsächlich viel an dieses strategisch ungemein günstig gelegene Land, durch das die Baku-Ceyhan-Pipeline verläuft, die aserbaidschanisches und kasachisches Rohöl unter westlicher Ägide bis zum Mittelmeer transportÂiert. Einer weiteren Konsolidierung des Einflusses in Georgien stehen zwei abtrünnige, prorussische Republiken – Südossetien und Abchasien – im Wege. Die Diskussion von Lösungsansätzen für diese »Probleme« soll nach Ansicht von Beobachtern den nichtöffentlichen Teil des Treffens dominiert haben.
Im Vorfeld des G-8-Treffens vom 15. bis 17. Juni in St. Petersburg wurden hier offensichtlich die Standpunkte beider Seiten angeglichen, die von den USA während des Gipfeltreffens offensiv vorgetragen werden könnten. Der Empfang Saakaschwilis durch Bush gilt zudem als offene Brüskierung Rußlands angesichts der instabilen Lage bezüglich Südossetien und Abchasien. Wie sich die USA und Georgien übereinstimmend die »Lösung« des Problems vorstellen, wurde am Mittwoch deutlich: Da kündigte der georgische Verteidigungsminister den Aufbau einer neuen Militärbasis nach NATO-Standards an. Diese soll nur 26 Kilometer von der südossietischen Hauptstadt Zchinwali entfernt errichtet werden.