„Junge Welt“ vom 04.07.06
Slowakei: Empörung unter westlichen Investoren und Politikern über Pläne des Premiers in spe. Regierungsbildung abgeschlossen
Robert Fico scheint keine Zeit verlieren zu wollen: »Unsere Soldaten haben im Irak nichts verloren«, erklärte der zukünftige slowakische Regierungschef während einer Radiodiskussion am vergangenen Samstag. Die 104 derzeit im Irak stationierten slowakischen Soldaten werden nach Bildung der Regierung unverzüglich abgezogen, so Fico weiter. Allerdings stößt die von den Sozialisten der Smer-Partei (Richtung) um Fico angekündigte Politik auf vehemente Kritik. Trotzdem wurde am Sonntag ein Koalitionsvertrag unterzeichnet. Demnach wird die mit nahezu 30 Prozent der Stimmen als Wahlsiegerin aus den Parlamentswahlen am 17. Juni hervorgegangene Smer mit den Nationalisten der »Bewegung für eine Demokratische Slowakei« (HZDS) des Republikgründers Vladimir Meciars sowie den radikalen Nationalisten der »Slowakischen Nationalpartei« (SNS) die zukünftige Regierung der Slowakei stellen.
Fico erklärte auf einer Pressekonferenz im Anschluß, daß nur diese Koalition die Gewähr biete, einen »modernen Sozialstaat«, die Stärkung der gesellschaftlichen Solidarität und eine bessere Verteilung der Früchte des Wirtschaftswachstums zu realisieren. Die Smer scheint tatsächlich ihre Vorstellungen weitgehend durchgesetzt zu haben. Von den 16 Ministerposten werden die Sozialdemokraten elf stellen, die umstrittenen Führer der HZDS und SNS, Vladimir Meciar und Jan Slota, werden keine Regierungsämter übernehmen. Der slowakische Flattax – des einheitlichen Steuersatzes von 19 Prozent – soll abgeschafft, die Mehrwertsteuer auf Güter des täglichen Bedarfs um fünf Prozent gesenkt werden. Darüber hinaus wurde die Verschiebung der Einführung des Euro in der Slowakei in Aussicht gestellt, falls dieses vorteilhaft für das Land sei. Den ethnischen Minderheiten, insbesondere den ungarischstämmigen Slowaken, sicherte Fico die Beibehaltung ihrer derzeitigen Rechte zu. Die neue Regierung könne schon am Dienstag vereidigt werden, so Fico.
Ihre Bedenken und Sorgen um »europäische und sozialdemokratische Werte« brachten indes Brüsseler Funktionäre der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) zum Ausdruck, zu der auch die Smer gehört. Inzwischen gibt es innerhalb der SPE Überlegungen, die Zusammenarbeit mit den slowakischen Sozialdemokraten auszusetzen. Die deutsche Presse in der Slowakei griff die zukünftige Regierung schon jetzt scharf an. In einem Leitartikel rief die Tageszeitung Sme die Slowaken dazu auf, »die Würde zu bewahren und den Werten treu zu bleiben, die der künftige Premier aus vollem Hals verlacht«. Sme gehört der Verlagsgruppe Passau, die mit 31 Pressetiteln und einer Gesamtauflage von 800 000 Exemplaren maßgeblich meinungsprägend wirkt. Auch die Märkte reagierten unverzüglich: Die slowakische Krone gab kurz nach Bekanntgabe der Koaltionsvereinbarung am Donnerstag um 0,7 Prozent gegenüber dem Euro nach, erst eine Intervention der slowakischen Zentralbank stoppte die Talfahrt.
Die slowakische Seite bemühte sich umgehend, die Wogen zu glätten. Fico erklärte nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages, daß sein Land allen Bündnisverpflichtungen in NATO und EU nachkommen und eine strikt proeuropäische Politik betreiben werde. Der slowakische Präsident Ivan Gasparovic, ein einstiger Mitstreiter Meciars und mit Unterstützung Ficos 2004 ins Präsidentenamt gewählt, erklärte öffentlich, keine Befürchtungen zu hegen, da der Wähler entschieden habe. Gegenüber Investoren soll laut Wiener Zeitung das Staatsoberhaupt immer wieder beteuern, daß die in den vergangenen Jahren durchgeführten »Reformen« kaum rückgängig gemacht werden können.