Publiziert am 18.10.2005 in „junge welt“
Kein Durchkommen für Juschtschenkos braune Wahlhelfer. Ehemalige Helfer deutscher Besatzer marschierten in Kiew
Kiew glich am vergangenen Wochenende einer Stadt im Ausnahmezustand. Tausende Polizisten wurden von den Behörden zusammengezogen, um eine Demonstration von Veteranen der »Ukrainischen Aufständischen Armee« (UPA) zu sichern, die den 63. Gründungstag dieser Kampforganisation nutzen wollten, um ihre offizielle Anerkennung als »Veteranen« des Zweiten Weltkrieges anzumahnen. Den betagten, ehemaligen UPA-Kämpfern standen Mitglieder der faschistischen »Ukrainischen Volkspartei« und etlicher rechtsradikaler Jugendorganisationen zur Seite.
Kampf gegen Rote Armee
Die UPA kämpfte während des Zweiten Weltkrieges, vorwiegend in der Westukraine, gegen kommunistische Partisanen, die Rote Armee sowie die polnische Zivilbevölkerung. Im Jahr 1943 hatte die UPA über 100000 Mann in ihren Reihen. Verbände der UPA waren an zahlreichen Massakern gegen Polen und Juden beteiligt, über weite Zeiträume hinweg kollaborierten sie mit den deutschen Besatzern. Die UPA gilt bis zum heutigen Tag in der Ukraine als faschistische Organisation, deren ehemalige Mitglieder keinerlei Anspruch auf Veteranenrenten oder ähnliche Vergünstigungen haben.
Den alten und neuen Faschisten, die größtenteils aus der westlichen Ukraine nach Kiew angereist waren, stellte sich eine machtvolle antifaschistische Demonstration entgegen, die von Veteranenverbänden der Roten Armee, der Kommunistischen Partei und der Progressiven Sozialistischen Partei organisiert wurde. Den Antifaschisten gelang es, die Polizeiabsperrungen zu durchbrechen, die Marschroute der Faschisten zu blockieren und somit deren Abschlußkundgebung auf dem Majdan – dem Unabhängigkeitsplatz im Zentrum Kiews – zu vereiteln. Ein beständiger »Beschuß« mit Eiern, Tomaten und Kefir verhinderte einen geordneten Ablauf des UPA-Umzugs. Bei tätlichen Auseinandersetungen sind mehrere Personen verletzt worden, von Linken erbeutete Fahnen der UPA gingen in Flammen auf.
Juristische Tricks
Präsident Viktor Juschtschenko bringen diese faschistischen Umtriebe in eine mißliche Lange, denn er wurde während der »orangen Revolution« auch von der westukrainischen radikalen Rechten unterstützt, die nun ihren Anteil an dem Sieg einfordert. Eine rechtliche Gleichstellung der Faschisten mit den Kämpfern der Roten Armee kann Juschtschenko aber im Hinblick auf die Anfang 2006 anstehenden Parlamentswahlen nicht durchsetzen, da er sich hierdurch jeglicher Wahlchancen im Osten des Landes berauben würde – dort bezeichnet man Faschisten immer noch als solche. So fand eine Regierungskommission einen Kompromiß, als sie dem Parlament einen Gesetzesentwurf zur Abstimmung vorlegte, der den UPA-Leuten zwar den Veteranenstatus verweigert, aber die damit einhergehenden Privilegien gewährt.