„Neues Deutschland“, 04.03.2011
Sanierungsplan der Regierung Orbán soll Haushalt konsolidieren und Staatsschulden abbauen
Ungarns Regierung hat ihre Sparmaßnahmen vorgestellt. Damit sollen die Bilanz verbessert und das Land »konkurrenzfähig« werden.
Die in Budapest regierenden Rechtspopulisten scheinen eine Vorliebe für martialische Auftritte ausgebildet zu haben. Seine Regierung werde »den Schulden den Krieg erklären, die unser Leben wie eine Krake zuschnüren«, polterte Ministerpräsident Viktor Orbán Ende Februar. Am vergangenen Dienstag folgte die förmliche »Kriegerklärung«, in der Vizepremier Tibor Navracsics ein Programm präsentierte, das auf eine rasche Haushaltskonsolidierung und einen nachhaltigen Abbau der Staatsverschuldung abzielt. Der Sanierungsplan umfasst 26 Maßnahmen, deren Umsetzung dazu beitragen soll, die Bilanz des Staatshaushaltes im kommenden Jahr um 550 Milliarden Forint und ab 2013 um 900 Milliarden Forint (rund 3,3 Milliarden Euro) zu verbessern. Die Staatsverschuldung soll von 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf 70 bis 65 Prozent in 2014 gesenkt werden.
Navracsics gab sich bei der Vorstellung alle Mühe, die Unterschiede zu den Sparpaketen der sozialdemokratischen Vorgängerregierung herauszustellen. Es gehe nicht um »Einschränkungen, sondern um strukturelle Umgestaltungen«, die ein »konkurrenzfähiges Ungarn« hervorbringen würden.
Schuldenbremse und Kürzungen bei Arbeitslosen
Ab 2013 werde das Land demnach ein dauerhaftes Wachstum von vier bis sechs Prozent erreichen. An die 300 000 zusätzliche Arbeitsplätze sollen bis 2014 entstehen. Nur wenn diese Prognosen erreicht würden, könnten die von Orbán anvisierten Sanierungsziele erreicht werden: die Absenkung des ungarischen Haushaltsdefizits von 2,9 Prozent des BIP in diesem Jahr auf 1,9 Prozent in 2014.
Dabei scheint die Regierung Orbán mit dem Sanierungskonzept nicht den Schulden, sondern der Bevölkerung Ungarns den Krieg erklärt zu haben, denn ein Großteil der Maßnahmen trifft vor allem Arbeitslose, Rentner, Kranke und Lohnabhängige. So sollen die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes um zwei Drittel auf nur noch 90 Tage gekürzt und die Möglichkeiten zur Frühverengung stark beschnitten werden. Die Zuzahlungen zu Arzneimitteln werden im kommenden Jahr um 83 Milliarden Forint gekappt. Das öffentliche Transportwesen wird mit Kürzungen von bis zu 60 Milliarden Forint jährlich belastet.
Am deutschen Vorbild orientieren sich die Pläne zur Verankerung einer »Schuldenbremse« in der Verfassung wie auch der Aufbau eines staatlichen Zwangsarbeitssektors für Arbeitslose. Geplant sind zudem eine »Straßennutzungsgebühr«, die allein 180 Milliarden Forint jährlich einbringen soll, und eine Steuer auf »ungesundes Essen«. Zur angepeilten Senkung der Staatsschulden sollen auch 63 Prozent der Beiträge der privaten Zwangsrentenversicherung verwendet werden, die jüngst von der Regierung verstaatlicht wurde. Diese vor allem bei den dominierenden westlichen Versicherungskonzernen verhasste Maßnahme spülte etwa 3000 Milliarden Forint (rund elf Milliarden Euro) in Orbáns Haushaltskasse.
»Große Enttäuschung« bei Analysten
Empört reagierte die Finanzbranche auch auf die Verlängerung der Bankensteuer bis 2012, die den ungarischen Schuldenberg um umgerechnet 332 Millionen Euro im kommenden Jahr abbauen soll. Der Vorsitzende der Bankenvereinigung, Tamas Erdei, bezeichnete den Sanierungsplan umgehend als »große Enttäuschung«. Auch die Finanzmärkte haben die Pläne »kühl aufgenommen«, meldete das Wall Street Journal. Gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg warnten Analysten vor einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit. »Die heutige Ankündigung war ein unsicherer Schritt in die richtige Richtung, aber er ist unzureichend«, erklärte der Ökonom Attard Montalto.