„Junge Welt“, 20.04.2007
Pläne der Atomlobby sehen zwei AKW bis 2020 vor
Polens Regierung macht mit ihren Atomplänen ernst. Wie die in Polen erscheinende, von dem deutschen Medienkonzern Passauer Neue Presse herausgegebene Tageszeitung Polska meldet, wird Polens Premier Donald Tusk am 21. April eine »Beauftragte zur Entwicklung der Atomenergie« ernennen. Die Wahl des polnischen Regierungschefs solle hierbei auf Hanna Trojanowska gefallen sein, die bislang für den Energieversorger PGE (Polska Grupa Energetyczna) tätig ist. Trojanowska steht der – erst vor wenigen Wochen gegründeten – »Abteilung für Atomenergie« innerhalb der PGE vor; ihre bisherige Karriere führte sie unter anderem als Stipendiatin der Internationalen Atomenergie Agentur zum britischen Departement für Nukleare Sicherheit in Bristol und zur britischen Firma Nuclear Electric, wo Trojanowska an der Konzeption neuer Druckwasserreaktoren beteiligt war.
Diese Frau der europäischen AtomÂindustrie werde direkt dem polnischen Regierungschef unterstehen und die mit »der Errichtung der Nuklearkraftwerke verknüpften Arbeiten koordinieren«, schreibt die Polska meldete. Schon in zehn Jahren könnte der erste Atomstrom in Polen fließen, erklärte Stefan Chwaszczewski vom polnischen Institut für Atomenergie gegenüber dem Blatt. Die gegenwärtige Wirtschaftskrise dürfte dem Atomlobbyisten zufolge den Bau der Nuklearkraftwerke nicht gefährden, da die »ernsthaften Investitionen erst in fünf Jahren anfallen werden«, so Chwaszczewski, »und bis zur dieser Zeit, so hoffe ich, wird die Krise überwunden sein«. Bei den Kosten für ein Atomkraftwerk mit einer Leistung von 1600 MW, die von Polska mit »mehr als drei Milliarden Euro« angegeben werden, bleibt der polnischen Atomlobby tatsächlich nur das Prinzip Hoffnung.
Dabei sollen bis zum Jahr 2020 zwei solcher Nuklearkraftwerke errichtet werden. Als Standorte kommen bislang Bauplätze unweit der an der polnischen Ostseeküste gelegenen Ortschaft Zarnowiec und des westpolnischen Klempicz in Frage. In Zarnowiec befindet sich bereits die Investitionsruine eines zwischen 1982 und 1990 forcierten Atomkraftwerks, dessen Fertigstellung nach der Systemtransformation in Polen aufgegeben wurde. Andere Überlegungen gehen davon aus, ein Atomkraftwerk in unterentwickelten, infrastrukturell bislang vernachlässigten Ostpolen aufzubauen. Bei der eventuell anstehenden Ausschreibung sollen jüngsten Informationen zufolge insbesondere französische Anbieter gute Chancen haben, es könnten aber auch US-amerikanische, kanadische oder koreanische Atommeiler in Polen errichtet werden.
Dabei sind diese hochfliegenden Atompläne innerhalb der polnischen Regierungskoalition keineswegs unumstritten. Wie das in Polen erscheinende Springerblatt Dziennik noch Ende März meldete, lehnt der polnische Vizepremier Waldemar Pawlak von der Bauernpartei PSL den Bau von Nuklearreaktoren in Polen ab. Der Parteichef der als Juniorpartner in der polnischen Koalition vertretenen PSL schlug damals den überzeugten Atomkraftgegner Krzysztof Zmijewski als Atomkraftbeauftragten vor. Pawlak propagiert statt dessen den Ausbau regenerativer Energien und umfassende Programme zur Steigerung der Energieeffizienz und der Energieersparnis. Vorerst setzte sich in Warschau zwar die europäische Energielobby durch, allerdings könnte noch die Wirtschaftskrise Polen vor einer »strahlenden Zukunft« bewahren.