Neue Chance für Raketengegner?

„Junge Welt“, 10.11.2008
Obama legt sich bezüglich der Stationierung in Polen und Tschechien nicht fest

Am Samstag vormittag war für Lech Kaczynski die Welt noch in Ordnung. Da zog der polnische Staatschef das Resümee eines ersten Telefongesprächs mit dem designierten US-Präsidenten, das er Freitag nacht geführt hatte. »Barack Obama unterstrich die Bedeutung der strategischen Partnerschaft zwischen Polen und den Vereinigten Staaten«, erklärte Kaczynski, dabei habe der kommende Präsident der Vereinigten Staaten seine Bereitschaft zur Weiterführung der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten Ausdruck verliehen: »Das Projekt der Raketenabwehr wird weitergeführt«, stellte Kaczynski zufrieden fest.

Das Dementi aus Washington folgte nur wenige Stunden später. Denis McDonough, außenpolitischer Berater Obamas, widersprach in einer offiziellen Erklärung dem polnischen Staatschef: »Präsident Kaczynski kam auf die Raketenabwehr zu sprechen, aber der designierte Präsident Obama ist keine Verpflichtung in dieser Frage eingegangen.« In der Presseerklärung wurde die Position Obamas zu diesem Thema präzisiert, derzufolge »er die Aufstellung der Raketenabwehr unterstützt, wenn die Technologie sich als zuverlässig erweist«.

Eine nüchternere Einschätzung der neuen Lage lieferte der polnische Premier Donald Tusk am Samstag in einem Interview mit der regierungsnahen Zeitung Gazeta Wyborcza: »Die amerikanische Administration ändert sich nun. Ob die amerikanische Entscheidung sich ändert, das wissen wir nicht.« Sollte Washington sich entscheiden, die Raketenabwehr nicht zu errichten, so Tusk weiter, beispielsweise aus finanziellen Gründen, so müsse man die Entscheidung akzeptieren. »Wir können es nicht selber bauen.«

In einem ersten Telefongespräch am Samstag vereinbarten Rußlands Präsident Dmitri Medwedew und Barack Obama ein baldiges Treffen, auf dem wohl insbesondere die von Rußland abgelehnte Raketenstationierung in Polen und Tschechien ein Thema sein dürfte. Solche bilateralen Konsultationen könnten schon am Rande des kommenden Finanzgipfels in Washington arrangiert werden. In einer ersten Stellungnahme ließ der Kreml verbreiten, beide Seiten stimmten darin überein, »konstruktive und positive Interaktionen« aufbauen, und »ernsthafte Probleme globaler Natur« gemeinsam bewältigen zu müssen – ein Dementi aus Washington blieb diesmal aus.

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