„Junge Welt“, 29.07.2008
Konzern plant Schließung oder Verkauf des Bahnwerks in Prag-Zlicin. Belegschaft wehrt sich
Siemens gab jüngst erste Details des geplanten Stellenabbaus im Konzern bekannt. Die von der Führung angeordneten Massenentlassungen und Betriebsveräußerungen werden nicht zuletzt auch Tschechien hart treffen, da sich Siemens dort von seinem Bahnwerk trennen will. »Wir haben in Prag sehr gut ausgebildete Fachkräfte und können uns auch vorstellen, das Werk an ein solides Unternehmen zu verkaufen«, verkündete der Chef der Siemens-Sparte Mobility, Hans-Jörg Grundmann, jüngst gegenüber der Presse. Angeblich gebe es bereits »Interessenten« für das Werk in der tschechischen Hauptstadt, hieß es weiter aus der Konzernzentrale. Notfalls würde man den Standort auch stillegen, stellten Konzernsprecher klar. Der Betrieb in Prag-Zlicin beschäftigt derzeit noch nahezu 1000 Menschen.
Insgesamt plant der deutsche Großkonzern, sich von 16750 seiner weltweit rund 400000 Beschäftigten zu trennen. In der Mobility getauften Verkehrssparte, die sich mit der Fertigung von Schienenfahrzeugen befaßt, sollen insgesamt 2500 Arbeitsplätze vernichtet werden. Damit trägt Prag die Hauptlast der als »Umstrukturierung« verkauften Massenentlassungen. Betroffen sind auch deutsche und österreichische Werke, wo 630 Arbeitsplätze wegfallen sollen. Doch bleiben diese Fertigungsstätten zumindest erhalten. Entlassungen sind konkret an den Standorten in Berlin, Offenbach, Braunschweig, Nürnberg, Düsseldorf, Konstanz, Erlangen, Wien, Graz und vor allem in Krefeld-Uerdingen geplant, wo 220 von 2000 Arbeiter gefeuert werden sollen. Diesen Kahlschlag rechtfertigte die Konzerleitung mit »Überkapazitäten« und »verfehlten Renditezielen« der Sparte.
Die Belegschaft des zum Verkauf freigegebenen Werks in Prag-Zlicin gibt sich indes kämpferisch. Die Betriebsgewerkschaft Siemens Kolejova vozidla (SKV) fordert Beschäftigungsgarantien für alle, sollte das Werk den Konzern verlassen. Die Belegschaft sei entschlossen, für ihre Forderungen notfalls in den Ausstand zu treten, erklärte der Gewerkschaftsvorsitzende Josef Stredula vergangene Woche gegenüber der Nachrichtenagentur CTK. Man sei auch »enttäuscht« über die mangelhafte Kommunikation mit dem Management, so Stredula, der darauf verwies, daß den Gewerkschaften seitens der Konzernleitung noch immer keine Verhandlungsdelegation benannt wurde, mit der man über gewisse »Garantien« sprechen wolle.
Die SKV will auch eine schleichende Demontage des Werks in Prag-Zlicin verhindern. Der Wert des Betriebs dürfe nicht fallen, bevor Siemens diesen veräußert habe, so daß der »neue Beisitzer mit der Produktion fortfahren kann«, betonte Stredula. Der Chef der Betriebsgewerkschaft nannte »glaubwürdige Quellen«, laut denen 150 hochqualifizierte Ingenieure aus Prag-Zlicin abgezogen und in anderen Siemens-Standorten in Tschechien eingesetzt werden sollen. »Das würde den Betriebswert senken und signalisieren, daß eine weitere Produktion nicht geplant ist«, so Stredula. Für die SKV wäre das ein eindeutiger Streikgrund, warnte der Gewerkschafter. Siemens beschäftigt in Tschechien insgesamt 12519 Mitarbeiter.