„Junge Welt“, 27.02.2008
Wenige Monate nach seiner Wahl plant Polens Ministerpräsident Donald Tusk eine »Flat-Tax« und Gesetze gegen gewerkschaftliche Rechte
Polens Neoliberale gehen in die Offensive. Die rechtsliberale »Bürgerplattform« (PO) zeige erst jetzt ihr wahres Gesicht, warnte die sozialdemokratische Tageszeitung Trybuna am 25. Februar. So sei die Regierungspartei von Premier Donald Tusk dabei, ihre Steuerpläne nochmals zu radikalisieren. Verwiesen wird auf Zbigniew Chlebowski, den Vorsitzende der Parlamentsfraktion der PO, der in einem Radiointerview auf der Einführung einer »Flat-Tax«, eines linearen Steuersatzes zwischen 18 und 16 Prozent, bestand.
Dabei hatte sich die Regierungskoalition aus Bürgerplattform und gemäßigter Bauernpartei PSL bereits auf eine Steuerreform geeinigt, die ab 2009 in Kraft treten wird. Die höchste Steuersatz von 40 Prozent des dreistufigen polnischen Steuersystems wird ab 2009 abgeschafft, der niedrigste um einen Prozentpunkt auf 18 Prozent gesenkt. Es bleiben somit nur Steuersätze von 18 und 32 Prozent. Die Bemessungsgrundlage wurde allerdings so gestaltet, daß nur das vermögendste Prozent der polnischen Einkommensempfänger den erhöhten Steuersatz zahlen wird.
Die Trybuna rechnete vor, was die Steuerreform der Tusk-Administration für die Lohnempfänger Polens bedeutet. Für jene 70 Prozent der arbeitenden Bevölkerung, die bereits jetzt aufgrund ihrer mageren Einkünfte den niedrigsten Steuersatz von 19 Prozent zahlen, ändere sich nicht viel. Sie hätten bestenfalls »ein paar Zloty mehr in der Tasche«. Ein Vorstandsvorsitzender, der umgerechnet 50000 Euro pro Monat verdient, werde hingegen monatlich ab 2009 4000 Euro weniger Lohnsteuer zahlen. Sollte nun ab 2010 tatsächlich die allgemeine Flat-Tax von 16 Prozent eingeführt werden, könnte sich besagter Vorstandsvorsitzender über zusätzliche Steuergeschenke in Höhe von 8000 Euro pro Monat freuen.
Zweiter Schwerpunkt der PO ist das Arbeitsrecht. Die Turboneoliberalen sind bemüht, der polnischen Gewerkschaftsbewegung, die in letzter Zeit eine kleine Renaissance erlebt, endgültig das Rückgrat zu brechen. Seit Amtsantritt der Regierungskoalition erschütterten mehrere Streikwellen das Land. Im Ausstand befanden oder befinden sich Teile des Gesundheits- und Bildungswesens, der Zollabfertigung und des Bergbaus. Für höhere Löhne streiten zudem Briefträger, Bahnangestellte und Polizisten. Schließlich gelang es linken Gewerkschaftern sogar vor kurzem, in der wegen ihrer rigiden gewerkschaftsfeindlichen Politik berüchtigten Discounterkette »Tesco« einen ersten Warnstreik durchzuführen. Auseinandersetzungen um höhere Löhne gibt es auch im polnischen Opel-Werk in Gliwice.
Die neue, von der PO ausgeheckte Gewerkschaftsgesetzgebung, die solche Streikwellen zukünftig verhindern soll, wurde in der kürzlich von der Verlagsgruppe Passau auf den polnischen Markt geworfenen Tageszeitung Polska veröffentlicht: Die Gewerkschaften sollen zukünftig keine Büros innerhalb der Betriebe unterhalten dürfen. Als Finanzierungsquellen sollen ausschließlich Mitgliedsbeiträge zulässig sein. Diese Vorschrift könnte unter anderem das Ende von gewerkschaftseigenen Zeitungen wie der Trybuna Robotnicza bedeuten, da dies als »wirtschaftliche Tätigkeit« gelten würde. Gewerkschaftliche Organisisierung soll künftig nur in Betrieben mit mehr als 30 Mitarbeitern statt wie bisher zehn erlaubt sein. Zudem gibt es Überlegungen, in Zukunft nur noch eine Gewerkschaft pro Betrieb zuzulassen, um so die kämpferischen Arbeiterorganisationen zu marginalisieren. Am schwerwiegendsten für die Gewerkschaftsarbeit ist aber die Absicht der PO, den besonderen arbeitsrechtlichen Schutz von Betriebsräten und gewerkschaftlichen Vertrauensleuten auszuhöhlen.
Laut der gewerkschaftsnahen Trybuna Robotnicza könnten auf die polnischen Gewerkschaften schwere Zeiten zukommen. Die polnische Verfassung garantiere zwar die Freiheit der gewerkschaftlichen Organisiserung, doch gebe es in der PO »viele, die eine Schwächung der Gewerkschaften wünschen.« In geschlossenen Zirkeln bezeichnen die Bürgerplattformer Gewerkschaften schon mal als »Geschwüre auf dem Körper der Volkswirtschaft,« kolportierte die Zeitung.
Um Proteste der Bevölkerung abzublocken, arbeitet die Bürgerplattform auch zielstrebig am Abbau demokratischer Rechte. Mit Unterstützung der erzkonservativen Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS) soll per Verfassungsänderung die Einführung des Mehrheitswahlrechts durchgesetzt werden. Somit könnten kleinere Partien und neue aus Protestbewegungen hervorgehende politische Kräfte vom Parlament ferngehalten werden. Die derzeit etablierten Rechtskräfte um die PO und die PiS hoffen, auf diese Weise ein Zweiparteiensystem etablieren zu können. Er werde nicht eher ruhen, bis pro Wahlkreis ein Abgeordneter vom Wähler direkt ins Parlament gewählt werde, zitierte die liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza Premier Tusk, der ferner das Oberhaus des polnischen Parlaments, den Senat, abschaffen will. Nach den kommenden Präsidentschaftswahlen möchten die Liberalen um Tusk auch noch die Machtteilung zwischen Premier und Präsident überwinden und alle Machtbefugnisse – je nach Wahlergebnis – entweder beim Staats- oder beim Regierungschef konzentrieren.