„Junge Welt“, 20.10.2007
Den internationalen Widerstand gegen Konzernpolitik organisieren. Diskussion von Gewerkschaftsmitgliedern auf Sozialforum in Cottbus. Ein Gespräch mit Denise Chervet, Aneta Jerska und Martin Beckmann
Die Gewerkschafterinnen Denise Chervet aus der Schweiz und Aneta Jerska aus Polen sowie der IG-Metaller Martin Beckmann diskutieren am heutigen Samstag auf dem Sozialforum in Cottbus über grenzüberschreitende Arbeitskämpfe
Denise Chervet, Sie konnten als Sekretärin der Schweizer Gewerkschaft COMEDIA bereits Erfahrungen mit Betriebverlagerungen und Hedgefonds sammeln. Gibt es Chancen auf eine erfolgreiche Gegenwehr?
Denise Chervet: In Frankreich hat die Belegschaft eines Nestlé-Werks in St. Menet bei Marseille Anfang 2006 erfolgreich gegen eine Betriebsschließung gekämpft. Ich selber habe mit der Belegschaft von Filtrona in Renens zwischen Dezember 2004 und Januar 2005 gegen den britischen Konzern Bunzl gestreikt. Wir haben damals versucht, Verbindungen mit den Gewerkschaften in England und in Deutschland aufzubauen. Das war sehr schwierig. Ver.di und die englische Amicus konnten nur dank persönlicher Kontakte in Bewegung gesetzt werden und legten auch dann nur Lippenbekenntnisse gegen die Betriebsschließung ab. Sie haben es bevorzugt, ruhig zu bleiben und zu hoffen, von der Schließung von Filtrona, Schweiz, zu profitieren.
Wie stellen Sie sich eine erfolgreiche, europäische Zusammenarbeit vor?
Denise Chervet: Die größte Hürde ist die Sprache – die Arbeiter können oft nicht direkt miteinander in Kontakt treten. Dieses Hindernis kann mit der Hilfe der Gewerkschaften und insbesondere der europäischen Dachverbände genommen werden. Der Informationsaustausch sollte schon vor Beginn der Arbeitskämpfe laufen. Solidarität läßt sich einfacher entwickeln, wenn man die Leute kennt, schon ein Vertrauensverhältnis hat.
Aneta Jerska, Sie sind in dem polnischen Komitee zur Unterstützung und zum Schutz von Repression betroffener Arbeiter (KPiORP) organisiert. Was macht das Komitee?
Aneta Jerska: Das KPiORP entstand im Januar 2006 auf Initiative von drei unrechtmäßig entlassenen Gewerkschaftern. Die grundlegende Aufgabe besteht in der Mobilisiserung von Widerstand gegen den Neoliberalismus und darin, Kollegen zu helfen, deren Rechte mißachtet werden. Bei uns haben sich unter anderem Arbeiter, Intellektuelle, globalisierungskritische Gruppen und Feministinnen zusammengetan. Das Komitee organisiert Protestaktionen und hat ein Netzwerk von über 20 Rechtsberatungsbüros für Beschäftigte in Polen aufgebaut. Wir skandalisieren Fälle krasser Ausbeutung und Verstöße gegen das Arbeitsrecht.
Martin Beckmann, wie könnte aus Ihrer Sicht ein organisatorischer Rahmen aussehen, um konkrete Arbeitskämpfe international zu unterstützen?
Martin Beckmann: Ansätze dafür gibt es bereits. Der Europäische Metallgewerkschaftsbund (EMB) hat ein Konzept entwickelt, wie bei grenzüberschreitenden Konflikten eine europäische Koordinierung erfolgen soll. Im Falle von Airbus hat das auch ganz gut funktioniert. Daß dann kein einheitlicher europäischer Aktionstag stattgefunden hat, sondern erneut entlang nationaler Grenzen demonstriert wurde, zeigt, daß es noch ein weiter Weg ist. Jenseits organisatorischer Fragen ist es wichtig, daß Belegschaften ihre Erfahrungen international austauschen, sich einfach kennen zu lernen. Dafür kann das Sozialforum sicherlich einen Beitrag leisten.