Vorm Showdown

„Junge Welt“, 06.08.2007
Polen: Eskalierender Machtkampf zwischen PiS und ihren ehemaligen Koalitionspartnern. Kaczynski will Neuwahlen

Eine Zwei-Drittel Mehrheit bei der für den 7. September angesetzten Abstimmung über die Auflösung des polnischen Parlaments (Sejm) scheint durchaus möglich. Premier Jaroslaw Kaczynski betonte am Mittwoch, daß seine Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS) alles tun werde, um dieses Ziel zu erreichen. Der PiS-Abgeordnete und enge Vertraute der Kaczynksi-Zwillinge Adam Lipinski erklärte ebenfalls, eine Selbstauflösung des Sejm wäre »ein sehr guter Ausweg«.

Ein guter Ausweg aus der verfahrenen, von ausufernden Auseinandersetzungen geprägten innenpolitischen Lage ist tatsächlich bitter nötig. Der eskalierende Machtkampf zwischen der PiS und ihren ehemaligen Koalitionspartnern sowie der Opposition hat tiefe Gräben aufgerissen. Die rechtskonservative Minderheitsregierung will unbedingt einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß verhindern, der mutmaßlichen Mißbrauch staatlicher Organe zu machtpolitischen Zwecken seitens der PiS beleuchten sollte. Der Sejmvorsitzende Ludwig Dorn (PiS) weigert sich beharrlich, entsprechende Abstimmungsanträge der Opposition auf die Tagesordnung zu setzten. Ähnlich verhält es sich mit allen Anträgen, die auf die Abberufung Dorns abzielen. Einzig die Abstimmung über eine vorgezogene Neuwahl will der Sejmvorsitzende zulassen.

Die Opposition samt den ehemaligen Koalitionsparteien wirft den als »Saubermänner« auftretenden Ka­czynskis konkret vor, die Antikorruptionsbehörde CBA zur Bekämpfung politischer Gegner instrumentalisisert zu haben. Diese von der PiS gegründete Behörde soll dem ehemaligen Vizepremier Andrzej Lepper eine »Falle« gestellt haben, um diesen politischen Konkurrenten der PiS auszuschalten – das behauptet zumindest der ehemalige Innenminister Janusz Kaczmarek, der in Aussagen vor einem Sejm-Ausschuß die Kaczynskis sowie ihren Vertrauten, Justizminister Zbigniew Ziobro, schwer belastet hatte. Politiker und Journalisten jeglicher Couleur sollen laut Kaczmarek abgehört worden sein. Premier Kaczynski entließ den Innenminister vor einigen Wochen, da dieser Lepper vor der CBA-Aktion gewarnt haben soll.

Diese Beschuldigungen Kaczmareks lösten in Polen ein politisches Erdbeben aus. Am vergangenen Freitag erhöhte die PiS den Einsatz in diesem Machtpoker und setzte zu einem Befreiungsschlag an: Kaczmarek sowie einige weitere Funktionäre wurden verhaftet. In einer geschickt inszenierten Pressekonferenz sowie in Artikeln der regierungsnahen Zeitung Rzeczpospolita spielten die Kaczynskis zudem die Karte der sozialen Demagogie. Lepper und Kaczmarek seien demnach nur »Marionetten« des flüchtigen Oligarchen und Milliardärs Ryszard Krauze, der als Teil eines nebulösen, korrupten »Systems« Polen im Würgegriff halte. Auf der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft am Freitag wurden angebliche Beweise gegen Kaczmarek, Lepper und weitere Funktionäre sowie Wirtschaftsbosse präsentiert. Zeitgleich ließ Präsident Lech Kaczynski in allen Medien verlauten, daß »Polen kein Land für Bonzen« sei.

Dieses meisterhafte Manöver so­zialer Demagogie, mit dem sich die PiS als der Verteidiger des »kleinen Mannes« gegenüber den dunklen Mächten der Oligariche und Korruption präsentierte, verschaffte den Konservativen einen heftigen Popularitätsschub. Innerhalb einer Woche konnte die PiS in den Umfragen um sagenhafte acht Zähler auf 30 Prozent zulegen und erstmals seit Jahresanfang die wirtschaftliberale »Bürgerplattform« PO überflügeln, wie die Gazeta Wyborcza erschrocken feststellte. Somit verwundert es nicht, daß die PiS nun zu einer Neuwahl bereit ist.

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