„Junge Welt“, 27.08.2007
Auseinandersetzungen um US-Schild und Sozialabbau in Tschechien. Grünen-Senator attackiert Kommunisten. Teilsieg der Regierung bei Steuerreform
Die tschechischen Grünen haben den programmatischen Anschluß an ihre deutsche Schwesterpartei vollzogen. Nach Ansicht vom Jaromir Stetina, der für die grüne Partei im Senat sitzt, begeht die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (KSCM) Hochverrat. Sie nämlich hat gegen die geplante Stationierung eines US-Raketenabwehrsystems in Tschechien Position bezogen. »Ich glaube, daß die KSCM-Vertreter damit die Verteidigungsbereitschaft des Landes unterminieren«, erboste sich der Senator Ende vergangener Woche. Stetina legte zudem Beschwerde bei dem parlamentarischen Aufsichtsgremium ein. Dieses soll nun prüfen, ob die tschechischen Kommunisten mit ihren antimilitaristischen Standpunkten gegen Gesetzte verstoßen.
Der außenpolitische Sprecher der KSCM, Vaclav Exner, wies die Kritik zurück. Der ehemalige Journalist Stetina habe eine »sehr eigene« Auffassung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, sagte Exner, um dem Grünen im Nachsatz einen Besuch beim Psychiater zu empfehlen. Doch es ist nicht dieser Ton, der den Politikern der Schwarz-Grünen Koalition in Prag die Zornesröte ins Gesicht treibt. Die KSCM setzt alle Hebel in Bewegung, um die Aufstellung einer US-Radaranlage auf dem Truppenübungsplatz Brdy zu verhindern.
Weil Experten der US-Streitkräfte den Standort bereits begutachtet haben, planen die Kommunisten eine Klage vor dem tschechischen Verfassungsgericht. Eine Begehung des Übungsplatzes durch US-Vertreter sei vom Parlament schließlich nie gebilligt worden. Diese Meinung vertritt auch Josef Vondrasek, der kommunistische Bürgermeister des unweit von Brdy gelegenen Städtchens Rozmital pod Tremsinem, dessen jüngste Initiative der tschechischen Regierung noch viel Kopfzerbrechen bereiten dürfte. Am 24. August wurde in Vondrasek Heimatstadt eine »Freie StädteassoÂtiation« gegründet, an der sich über 30 Ortschaften aus der Region beteiligen, und die fortan den Widerstand gegen die US-Radaranlage koordinieren will. 64 weitere Ortschaften aus dem gesamten Land haben dem Verband ihre Unterstützung zugesagt.
Auch im Regierungslager wachsen die Zweifel. Der Christdemokrat Ludvik Hovorka forderte gegenüber der Tageszeitung Mlada fronta Dnes ein landesweites Referendum zu dem Streit. Auch er würde dann gegen die Stationierungspläne stimmen. Angesichts der breiten Ablehnung in der Bevölkerung sperrt sich die Regierung um Premier Mirek Topolanek einem solchen Plebiszit aber beharrlich. Hovorka hatte zuvor als einziger Abgeordneter der Christdemokraten gegen die Steuer- und Finanzreform seiner Regierung gestimmt, die mit Hilfe zweier sozialdemokratischer Überläufer am Dienstag beschlossen wurde. Die neoliberale Novelle bringt zusätzliche Belastungen für Tschechiens Lohnabhängige sowie Steuersenkungen für Spitzenverdiener und Konzerne. Zusammen mit der sozialdemokratischen CSSD wollen die Kommunisten auch in diesem Fall vor das Verfassungsgericht ziehen. Die mit dem Reformpaket beschlossenenn Krankenhaus- und Arztgebühren verstießen gegen die von der Verfassung garantierte freie Gesundheitsversorgnung, so das Argument.