„Junge Welt“, 23.07.2007
Nach den Wahlen in Nagorny-Karabach: Neuer Präsident stößt international auf Ablehnung. Militärische Drohgebärden aus Aserbaidschan
Selten wurde ein neu ins Amt gewählter Präsident mit solch übereinstimmender Ablehnung der westlichen Welt konfrontiert wie Bako Saakian. Der ehemalige Geheimdienstchef wurde am vergangenen Donnerstag mit 64 Prozent der Stimmen zum Staatsoberhaupt der international nicht anerkannten südkaukasischen Republik Nargony-Karabach gewählt. An die 77 Prozent der 92000 registrierten Wähler beteiligten sich an dem Urnengang. Das von Armeniern bewohnte Nagrony-Karabach spaltete sich während eines blutigen Bürgerkrieges nach dem Zerfall der Sowjetunion von Aserbaidschan ab.
Die Wahlen wurden von Aserbaidschan, das die Abspaltung der Region nicht akzeptiert, als »illegitim« bezeichnet. Ähnlich äußerte sich die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), laut der dieser jüngste Wahlgang »keinen Einfluß« auf die Lösung des »eingefrorenen Konflikts« um Nagrony-Karabach haben werde. Heftige Kritik an dem Wahlgang übten ebenfalls die NATO, die EU und die Türkei. Dabei müssen selbst westliche Think-Tanks wie das »Institute for War and Peace Reporting« (IWPR) eingestehen, daß es sich bei dem Wahlen um einen »echten politischen Wettstreit« gehandelt habe. Das obligatorische Glückwunschtelegramm traf nur aus Armenien ein, der armenische Präsident Robert Kotscharjan erklärte, daß der »ausgezeichnete Wahlverlauf« Zeugnis ablege von einer »irreversiblen historischen Realität – der Existenz der Republik Nagorny-Karabach«.
Selbst Moskau, ein traditioneller Verbündeter Armeniens, hält sich mit Unterstützung für die separatistische Republik zurück. Bislang haben nur russische Teilnehmer einer von Aserbaidschan heftig kritisierten Wahlbeobacherdelegation sich offen für eine Unabhängigkeit Nagorny-Karabachs ausgesprochen, da dieses Gebiet »alle legalen Voraussetzungen der Staatlichkeit« erfülle. Der offizielle russische Standpunkt ist weitaus vorsichtiger. Duma-Sprecher Boris Gryslow bemühe sich jüngst, ein Junktim zwischen dem Kosovo und den separatistischen Konflikten auf dem postsowjetischen Raum herzustellen. Eine Unabhängigkeit des Kosovo würde laut Gryslow einen Präzedenzfall schaffen, der den Separatismus – unter anderem auch in Karabach – anfachen würde.
Rußlands Vorsicht resultiert auch aus der massiven Zunahme von Drohgebärden im Vorfeld des Wahlganges. Am 2. Juli forderte der aserbaidschanische Präsident Ilcham Alijew Armenien auf, sich aus Karabach »zurückzuziehen«, um einen neuen Krieg zu vermeiden. »Aserbaidschan ist jetzt vom militärischen Standpunkt aus gesehen der stärkste Staat in der Region, und unsere Nachbarn müssen sich dessen bewußt werden«, erklärte Alijew der Nachrichtenagentur RIA-Novosti zufolge. Dank sprudelnder Deviseneinnahmen aus Erdölexporten konnte Aserbaidschan seine Rüstungsausgaben auf 650 Millionen US-Dollar in 2006 erhöhen, während Armenien nur 150 Millionen aufbringen konnte. Die Führung Karabachs gibt sich dennoch unbeeindruckt. Für den neu gewählten Präsident Saakian gibt es zur vollen Unabhängigkeit keinerlei Alternative.