„Junge Welt“, 25.06.2007
Das Deutschland-Bild in Polen
Oftmals sind es hierzulande kaum wahrgenommene, von dubiosen Politfiguren fabrizierte Nachrichten, die in der polnischen Öffentlichkeit das Bild eines bedrohlichen, revanchistischen Nachbarn zementieren. Als die CDU-Politikerin Erika Steinbach, Vorsitzende des »Bundes der Vertriebenen« (BdV), Anfang Juni die Frage der Vermögen jener Deutschen für »offen« erklärte, die nach 1945 aus den ehemals deutschen Ostgebieten umgesiedelt worden waren, taten hiesige Agenturen das mit kurzen Meldungen ab, polnische Zeitungen brachten Schlagzeilen und Kommentare. Polens Regierungsvertreter kündigten an, die Grundbücher in West- und Nordpolen »in Ordnung zu bringen«, also die Namen der deutschen Vorbesitzer zu tilgen.
Generell werden an der Weichsel alle Polen betreffenden Regungen der deutschen Öffentlichkeit sorgsam registriert. Die antipolnischen Anwürfe in Spiegel, FAZ oder SZ kann man größtenteils auch auf polnisch lesen, Zitate sind in Internetportalen und Tageszeitungen prominent plaziert.
Der Paradigmenwechsel in der Deutschland-Wahrnehmung kam mit der zwischen Rußland und der Bundesrepublik vereinbarten Ostseepipeline. Als Transitland für russische Energieträger war Polen nicht gänzlich von Moskau abhängig – bei energiepolitischen Auseinandersetzungen mit Rußland konnte Warschau, ähnlich wie Kiew und Minsk, den Gashahn zudrehen. Nach Fertigstellung der Ostseepipeline ist dies nicht mehr der Fall. Seitdem kann jede polnische Publikation mit einem ordentlichen Umsatzplus rechnen, wenn sie die manifest vorhandene, antideutsche Stimmung bedient. Als mehr oder minder antideutsch kann das gesamte konservative und rechtsliberale Spektrum bezeichnet werden, dazu gehören die führende Regierungspartei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS), die Beuernpartei Samoobrona, die Rechtsradikalen der »Liga der Polnischen Familien« (LPR), aber auch die größte Oppositionspartei, die turboliberale »Bürgerplattform« PO. Einzig die bei den letzten Wahlen nahezu in der Versenkung verschwundene Sozialdemokratie distanziert sich von einer explizit antideutschen Rhetorik.
Fans hat Deutschlands dagegen im politpathologischen Milieu der extremen Rechten. Der liberalen Gazeta Wyborcza ist es zu verdanken, das Skinheadparties mit brennenden Hakenkreuzen oder Nazikonzerte, bei den Hitler-T-Shirts zum Dreßcode gehören, überhaupt skandalisiert werden.
Eine gewisse Bewunderung für die berüchtigten deutschen Tugenden Fleiß, Ordnung, Disziplin, Ehre und Treue findet man aber auch innerhalb der regierenden PiS. Die Kaczynski-Brüder haben sich das katholische Bayern zum Vorbild auserkoren. Im übrigen haben die Zwillinge keine Hemmungen, mit der polnischen Springerpresse zu kooperieren. Der Bild-Ableger Fakt und das Welt-Derivat Dziennik propagieren den verbohrten Nationalismus ihrer deutschen Schwesternblätter. Dziennik hat sogar den Ehrgeiz, als »Hausblatt« der derzeitigen Regierung zu gelten. Premier und Präsident revanchieren sich für die Treue des Springer-Konzerns oft mit exklusiven Interviews. Und weil die antideutsche Rechte in starren Kategorien eines Kampfes um Boden denkt, nach 1945 »wiedergewonnene Gebiete« verteidigt, reagiert sie auf Äußerungen Steinbachs oder der Preußischen Treuhand viel heftiger als auf Übernahmen polnischer Unternehmen durch das deutsche Kapital.