Arbeiterschaft kontra Vetternwirtschaft

„Junge Welt“, 31.05.2007
Polen: Belegschaft einer staatlichen Holzfabrik wehrt sich gegen Günstlingswirtschaft der Regierungspartei

Die holzverarbeitende Fabrik »Sklejka Pisz« ist mit 850 Beschäftigten einer der größten Betriebe in Masuren, der verarmten, infrastrukturell unterentwickelten nordöstlichen Region Polens, die gemeinhin als das »Armenhaus« des Landes gilt. Die desaströse, chaotisch verlaufende Systemtransformation in Polen überstand Sklejka Pisz dank der Tatsache, daß dieser Betrieb nicht privatisiert wurde und sich somit immer noch im Besitz des polnischen Staates befindet.

Seit 2001 wird der holzverarbeitende Betrieb von dem parteilosen Manager Tadeusz Banach geführt. Inzwischen ist die staatliche Firma profitabel, im letzten Jahr konnte Sklejka Pisz einen Gewinn von fünf Millionen Zloty (etwa 1,4 Millionen Euro) an den Staat überweisen. Diese bescheidene Erfolgsstory schien die lokalen Größen der erzkonservativen Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) geradezu magisch anzuziehen. Am vergangenen Wochenende erfuhr die Arbeiterschaft von der Entlassung Banachs, der von dem Rechtsanwalt und PiS-Lokalpolitiker Marcin Poczobutt abgelöst werden soll.

Ein Großteil der Belegschaft wartete am Montag auf den neuen Betriebsvorsitzenden, um mit dem studierten Juristen über seine Vorstellungen von der Führung eines Unternehmens zu diskutieren. Der PiS-Politiker traute sich aber nur in Begleitung mehrerer Bodyguards in den Betrieb, wobei er auf Gutsherrenart eine Diskussion mit den Arbeitern kategorisch ablehnte. Die aufgebrachten Arbeiter und Gewerkschaftler verweigerten daraufhin dem PiS-Politiker den Zugang zu den Büroräumen des Betriebs und organisierten eine Nachtwache. Kurz darauf trafen die ersten, von Poczobutt alarmierten Polizeikräfte auf dem Betriebsgelände ein, die in stundenlangen Verhören die Arbeiter zu zermürben versuchten.

Als diese sich dennoch weigerten, am Dienstag die Lokalgröße der PiS auf das Werksgelände zu lassen, schritten die Sicherheitskräfte massiv ein. Bei den Auseinandersetzungen wurde ein Reihe von Arbeitern und Gewerkschaftern verletzt, acht Personen mußten in das örtliche Krankenhaus eingeliefert werden. Die Polizei konnte trotz der Gewaltanwendung dem neuen Betriebsdirektor keinen Zugang zu den Büroräumen verschaffen. Poczobutt selbst beschuldigt die Arbeiterschaft eines »illegalen Verhaltens« und droht mit rechtlichen Schritten gegen die Fabrikbesetzer. Inzwischen ist bekannt geworden, daß Polizeiverstärkungen aus der Regionshauptstadt Olsztsyn in der Nähe der Fabrik zusammengezogen werden.

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