„Junge Welt“, 02.05.2007
Belarus drohen Millionenschäden durch restriktive EU-Wirtschaftspolitik. Intensivierung der Zusammenarbeit mit »Blockfreien«
Die Eröffnung eines Verbindungsbüros der Europäischen Kommission in Minsk wurde von Präsident Alexander Lukaschenko als »Akt des Guten Willens« gewertet. Die belarussische Regierung setzte damit ihre Charmeoffensive gegenüber der Europäischen Union fort. Minsk will sich aus seiner einseitigen Abhängigkeit von Rußland lösen, und stärker mit dem Westen, ehemaligen Sowjetrepubliken sowie den »blockfreien« Staaten kooperieren.
Bei seiner jährlichen Ansprache vor dem Parlament des Landes am 24. April erklärte Lukaschenko, der Westen solle seine negativen Mythen und Stereotype bei den Beziehungen zu Belarus überwinden. Sein Land sei bereit, ein »zuverlässiger, verantwortlicher und vorhersehbarer Partner« des Westens zu sein. Die Reaktionen aus Brüssel auf Lukaschenkos Annäherungsversuche waren bisher eher verhalten. »Die EU werde sicherlich nicht die gegen Belarus verhängten Sanktionen im Austausch für das Büro der Europäische Kommission tauschen«, hieß es aus den Kreisen der EU-Diplomatie gegenüber der Nachrichtensite EU-Observer.
Minsk soll am 21. Juni von den »Generalised System of Preferences« (GSP) ausgeschlossen werden. Durch die Aussetzung des Handelsabkommens mit der EU würden auf die Wirtschaft Belarus’ Schäden von etwa 400 Millionen US-Dollar zukommen.
Erfolgreicher entwickeln sich die Beziehungen der Republik Belarus zu ehemaligen Sowjetrepubliken und zu den »Blockfreien Staaten«. Kasachstan, Aserbaidschan und der Iran sind vor allem als Energielieferanten für Minsk interessant – mit Venezuela wurde kürzlich ein entsprechendes Abkommen geschlossen, das Belarus zwei Millionen Tonnen Rohöl jährlich zusichert. Am 28 April wurde zudem bekannt, daß Belarus mit Kasachstan über den jährlichen Import von elektrischem Strom verhandelt, die vermittels des Stromnetzes der Russischen Föderation importiert werden würde.
Besonders innige Beziehungen unterhält Belarus inzwischen zu China, die beiden Länder sind durch eine Vielzahl ökonomischer, kultureller und militärischer Kooperationsabkommen eng verbunden. Peking unterstützt Minsk bei seinem Bemühen um einen WTO-Beitritt, während Lukaschenko die »Ein-China-Politik« Pekings gegenüber Taiwan mitträgt. Bei einer Staatsvisite in Indien Mitte April hoffte Lukaschenko, eine ähnlich enge Beziehung aufbauen zu können. Der indische Präsident Abdul Kalam erklärte nach den Gesprächen, daß Minsk ein »wichtiger Verbündeter« seines Landes sei, beide Staatsoberhäupter stimmten darin überein, den bilateralen Handel auszuweiten – er soll bis 2010 ein Volumen von 500 Millionen US-Dollar überschreiten.
Bei den Annäherungsversuchen gegenüber dem Westen scheint es sich hingegen um vergebliche Liebesmüh zu handeln. Am 26. April drohten US-Diplomaten erneut mit der »Verschärfung der Sanktionen« gegenüber Belarus, sollten nicht alle »politischen Gefangenen« des Landes unverzüglich freigelassen werden.