Nach Exxon die Sintflut

„Junge Welt“, 04.01.2007
Seit Jahren bemüht sich der weltgrößte Ölkonzern, die Öffentlichkeit mit millionenschweren Kampagnen über die Ursachen und Folgen des Klimawandels zu täuschen

In ihrem neuerdings aufkommenden Bemühen um ein soziales und ökologisches Image, veröffentlichte die Konservative Partei Großbritanniens am 30. Dezember eine Liste der »schlimmsten Konzernbösewichte« des vergangenen Jahres. Die Partei Margaret Theachers, die mit rabiaten Methoden in den 80er Jahren dem Neoliberalismus in England zum Durchbruch verhalf, stellte vor allem den US-amerikanischen Ölmulti Exxon Mobil an den Pranger. Den ersten Platz in der Rangliste errang Exxon laut der Financial Times London für »seine fortgesetzte Finanzierung von Think-tanks, die den Einfluß menschlicher Aktivität auf den Klimawandel leugnen.«
Gezielte Desinformation
Exxon Mobil ist mit 83000 Mitarbeitern und einem Umsatz von über 370 Milliarden US-Dollar in 2005 der weltweit größte Mineralölkonzern. Der 1999 aus einer Fusion hervorgegangene, in Irving, Texas, beheimatete Konzern konnte in den letzten Jahren dank steigender Erdölpreise riesige Profite erwirtschaften – allein 2005 erreichte der Nettogewinn von Exxon Mobil mit über 36 Milliarden US-Dollar eine neue Rekordsumme.

Verglichen mit diesen schwindelerregenden Summen sind es nur »Peanuts«, die von dem texanischen Konzern zur Verwirrung der öffentlichen Debatte über Ursachen und Folgen der Klimaerwärmung ausgegeben werden. Laut einen Bericht der englischen Zeitung The Independent sollen seit 1998 rund 19 Millionen US-Dollar von Exxon Mobil für diese Zwecke aufgewendet worden sein. Nach Untersuchungen des Corporate Europe Observatory (CEO) konzentrieren sich von Exxon geförderte Think-tanks in den letzten Jahren verstärkt auf auf die Beeinflussung der europäischen Öffentlichkeit und Politik.

Exxon Mobil investiere signifikante Summen in scheinbar seriöse und unabhängige Denkfabriken und Institute, die Zweifel über den wissenschaftlichen Konsens zur Klimaerwärumng und notwendige Gegenmaßnahmen sähen, erklärte Olivier Hoedeman, ein Sprecher von CEO gegenüber dem Independent. Laut der Organisation haben 2005 insbesondere das International Policy Network und das Centre for the New Europe größere Beträge von Exxon erhalten und in Brüssel massiv Lobbyarbeit gegen eine Ausweitung von Klimaschutzmaßnahmen betrieben. Für Kert Davies von Greenpeace England ist diese Konzentration auf Europa folgerichtig: »Europa ist zur Zeit führend in Sachen Klimapolitik. Exxon weiß, daß sie hier erfolgreiche Lobbyarbeit leisten müssen, um die Dinge weltweit zu verlangsamen«, sagte er der Zeitung.

Eine beliebte Taktik in der Öffentlichkeitsarbeit der Exxon-Lobbyisten besteht darin, Pseudowissenschaftler medial aufzubauen, die den Eindruck erwecken, daß es eine kontroverse Diskussion über die Ursachen der Klimaerwärumg innerhalb der Wissenschaft gebe. Gegen dieses öffentlichkeitswirksame Anzweifeln des gegebenen wissenschaftlichen Konsens machte im September die renommierte britische Wissenschaftsorganisation »Royal Society« mobil. In einer Erklärung der Vereinigung hieß es, daß es kaum noch ernstzunehmende Zweifel an der menschlichen Verantwortung für den Klimawandel gebe. Tausende Wissenschaftler auf der ganzen Welt stimmten darin überein, daß der Klimawandel menschengemacht sei, bei nur einigen wenigen Gegenstimmen, die medial von durch Exxon finanzierte Lobbygruppen und Think-tanks aufgebauscht würden. Etliche Wissenschaftler riefen überdies zu einem Boykott Exxon Mobils, das in Europa unter der Marke Esso agiert, auf.
Gekaufte Lehrer
Einem Sprecher der Royal Society zufolge konnte Exxon vor allem in den USA die Aufklärung über die Ursachen der Klimaerwärung massiv und erfolgreich behindern. Allein 2005 flossen von Exxons Konten nahezu drei Millionen US-Dollar an 39 Gruppen, die den Klimawandel in Frage stellten. Einige der bekanntesten, angeblich »unabhängigen« Denkfabriken der USA, wie das Cato Institute oder die Heritage Foundation, zählten zu Exxons Spendenempfängern. Für Aufsehen sorge die Weigerung der naturwissenschaftlichen Lehrervereinigung der USA, ­50000 Freiexemplare des Films »Eine unbequeme Wahrheit« anzunehmen. Der vom ehemaligen Vizepräsidenten Al Gore konzipierte Film visualisiert auf drastische Weise die Folgen der Klimaerwärmung und wurde von der Pädagogenorganisation als ungeeignet für die Vorführung im Unterricht bewertet. Schließlich stellte sich heraus, daß die Lehrervereinigung 2005 sechs Millionen US-Dollar an Spenden von Exxon, Shell, ConocoPhillips und dem American Petroleum Institute erhielt.

Tragischerweise gelang es der Öl-Lobby ausgerechnet in den USA, die für rund ein Viertel der Emissionen von Treibhausgasen verantwortlich sind, die öffentliche Meinung bis heute weitgehend zu bestimmen und den Treibhauseffekt als ein Hirngespinst hinzustellen. Diesen Erfolg verdanken die Energiekonzerne nicht zuletzt ihren ausgezeichneten Kontakten zum Weißen Haus. Exxon war der wichtigste Finanzier aus dem Energiesektor für die republikanischen Wahlkampagne 2004, die dem ebenfalls aus der Ölbranche kommenden Präsidenten George W. Bush eine zweite Amtszeit ermöglichte.

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