Ukraine am Scheideweg

Publiziert am 7.03.2006 in „junge welt“
Die Wahl zwischen zwei Oligarchien. Eine Analyse der politischen Lage vor den Parlamentswahlen am 26. März
Juschtschenko hat sich als unfähig erwiesen, eine rationelle und intelligente Politik durchzuführen. Es wird an die sechs Monate dauern, bis der so entstandene Schaden wieder behoben ist.« Wer da so siegesgewisse Wahlkampfreden hält, galt nach der »orangen Revolution« als politisch tot. Doch Viktor Janukowitsch, der moskautreue Gegenkandidat Viktor Juschtschenkos bei den Präsidentschaftswahlen Ende 2004, ist zurück auf der politischen Bühne – und wie. Laut neuesten Umfragen könnte seine »Partei der Regionen« bis zu 26 Prozent der Stimmen erhalten, damit liegen die »Blauen« in etwa gleichauf mit den »Orangen« um Julia Timoschenko und Juschtschenko. Doch eigentlich gibt es ein geschlossenes oranges Lager nicht mehr. Seit ihrer Entlassung als Premierministerin durch Präsident Juschtschenko am 8. September 2005, sind alle Versuche, das Wahlbündnis zwischen Timoschenko und der Präsidentenpartei »Unsere Ukraine« zu erneuern, gescheitert. Die letzten ernsthaften Gespräche, die in diese Richtung geführt wurden, sind Ende Februar fehlgeschlagen. Je nach Auftraggeber sehen die Wahlumfragen für die Parlamentswahlen am 26. März entweder Juschtschenko oder Timoschenko auf dem zweiten Platz.

Mindestens 226 Sitze sind im ukrainischen Parlament, der Rada, zur absoluten Mehrheit notwendig. Es gilt als gesichert, daß keine der obigen Parteien dieses Ziel erreichen wird. Am wahrscheinlichsten hält Vladimir Malinkowitsch vom Institut für politische Forschung in Kiew eine Koalition zwischen Janukowtischs Partei der Regionen und einem der Wahlblöcke der zerstrittenen »Orangen«. Sowohl Juschtschenko, wie auch Timoschenko haben hinreichend unter Beweis gestellt, daß sie mit den ehemals verhaßten »Blauen« zusammenarbeiten können. Der größte Coup gelang dabei dem Präsidenten, als er den von ihm ernannten Nachfolger Timoschenkos im Premieramt, Juri Jechanurow, dank der Unterstützung Janukowitschs im Parlament bestätigen konnte. Seit ihrer Moskau-Visite im Oktober 2005, in deren Verlauf der russische Haftbefehl gegen sie aufgehoben wurde, fällt auch Timoschenko mit Gesten und Bemerkungen auf, die auf eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den ostukrainischen »Blauen« hindeuten. Die restlichen Parteien könnten an die 70 bis 80 Parlamentssitze erringen. Darunter fallen die ehemals mit Juschtschenko verbündeten Sozialisten, die linksradikale »Opposition des Volkes« Natalia Witrenkos, die Kommunistische Partei der Ukraine (KPU), das gegen Juschtschenko gerichtete Oppositionsbündnis »Nie Tak!« (Nicht so!) sowie einige kleinere, mit Juschtschenko sympathisierende Gruppierungen. Die Rechtsradikalen der Volkspartei um Juri Kostenko treten diesmal ebenfalls eigenständig zur Wahl an. Von Erfolg oder Niederlage dieser Gruppierungen wird es abhängen, ob eine rein »blaue« oder »orange« Regierung geformt werden kann.

Die kommenden Parlamentswahlen werden als die bislang teuersten in die ukrainische Geschichte eingehen, an die 350 Millionäre und Milliardäre bewerben sich um einen Parlamentssitz. An die drei Millionen US-Dollar geben diese politisch ambitionierten Oligarchen durchschnittlich während ihrer Wahlkampagnen aus. Neben der Partei der Regionen der ostukrainischen Oligarchie ist der Wahlblock Timoschenkos bei den gutbetuchten Kandidaten gefragt. Juschtschenko wird hingegen von Peter Poroschenko unterstützt. Die unter seiner Leitung befindliche Gruppe Razom bildete den Kern der Präsidentenpartei Unsere Ukraine. Insgesamt verfügt diese Gruppe über 1,5 Milliarden Dollar Kapital. Es ist vor allem die parlamentarische Immunität, die viele Oligarchen dazu treibt, die parlamentarische Bühne zu erklimmen. Es ist also davon auszugehen, daß auch in der parlamentarischen Republik nach der »orangen Revolution« die kleptokratische Tradition der ukrainischen Politik ihre Fortsetzung findet.
Staatskrise
Die fast sichere Wahlniederlage vor Augen, greift Juschtschenko inzwischen zu rechtlich äußerst fragwürdigen Methoden, um einen eventuellen Machtverlust zu kompensieren. Im Zuge der »orangen Revolution« war eine tiefgreifende Verfassungsreform beschlossen worden, die ab dem 1. Januar 2006 in Kraft getreten ist. Dieser unter internationaler Vermittlung zustande gekommene Kompromiß zwischen den »Orangen« und »Blauen« sah vor, daß die ukrainische, autoritäre Präsidialrepublik in eine parlamentarische Demokratie transformiert wird. Die politische Hauptrolle spielt nun, wie in der Mehrheit der europäischen Staaten, der Premierminister der Regierung. Juschtschenko verliert somit einen Großteil seiner Macht, er kann weder den Premier ernennen, noch das Parlament bei jeder Unbotmäßigkeit auflösen. So ist es kaum verwunderlich, daß der Präsident auf einmal die Vorzüge des alten, autoritären Systems zu schätzen lernt, welches er einst als westlich gesponserter Vorzeigedemokrat bekämpft hatte. In einer kürzlich gehaltenen Rede zur Lage der Nation forderte Juschtschenko, ein Referendum über die Verfassungsreform durchzuführen, da die jetzige Vereinbarung »hinter dem Rücken des Volkes« zustande gekommen sei. Dazu gibt es allerdings keine rechtliche Grundlage, da das entsprechende Gesetz bereits vom Parlament ratifiziert worden ist, und die zu den potentiellen Gewinnern zählende Partei der Regionen eine Änderung derzeit strikt ablehnt. Um dennoch ein Referendum durchzusetzen, müßte Juschtschenko das ukrainische Verfassungsgericht anrufen können – doch das ist derzeit unmöglich.

Sowohl der Präsident als auch die Rada lehnen es ab, die paritätisch von beiden Institutionen zu benennenden Verfassungsrichter einzusetzen. Die Parlamentsmehrheit weigert sich, um eben eine Entscheidung des Verfassungsgerichts über ein etwaiges Referendum zu verhindern. Der Präsident hat andere Gründe: Nach dem Abschluß des Kompromisses zwischen der Ukraine und Rußland im Gasstreit der beiden Staaten wurde der Regierung Jechanurow vom Parlament das Mißtrauen ausgesprochen. Die Rada könnte laut Juschtschenko eine neue Regierung aber erst nach den Wahlen installieren. Deswegen bestreitet der Präsident die Rechtmäßigkeit dieses Mißtrauensvotums des Parlaments und sieht die Regierung als voll funktionsfähig an – ein Verfassungsgericht ohne Richter kann ihn kaum eines besseren belehren. Dank des funktionsunfähigen Verfassungsgerichts schwebt nun auch die ukrainische Regierung im rechtlichen Niemandsland. Parlament und Präsident beschuldigen sich gegenseitig, die Einsetzung der Verfassungsrichter zu behindern, jede Seite fürchtet, das Verfassungsgericht könnte in der Frage der Verfassungsreform oder des Mißtrauensvotums gegen sie entscheiden. Aufgrund dieser Differenzen mit der Parlamentsmehrheit ging Juschtschenko kürzlich dazu über, die Rada als »antistaatlich«, »destruktiv« und »parasitär« sowie ihre Mehrheitsentscheidungen als »illegal« zu beschimpfen. Selbst westliche Beobachter rechnen inzwischen kaum damit, daß Juschtschenko sein Verfassungsreferendum realisieren wird.
Wirtschaftliche Situation
Der schwindende Rückhalt für die »orange Revolution« ist hauptsächlich auf die sich rapide verschlechternde, ökonomische Lage zurückzuführen. Die ukrainische Wirtschaft wuchs 2005 um gerade mal 2,4 Prozent, im Jahr zuvor konnte das Land noch mit einem Wirtschaftswachstum von über zwölf Prozent aufwarten. Die Löhne stagnieren auf äußerst niedrigem Niveau, der ukrainische Durchschnittslohn beträgt 83 Euro pro Monat. Dabei wurden 2005 die Mindestlöhne, Pensionen und Renten von der Regierung Timoschenko massiv erhöht, dieselben Maßnahmen wurden auch von Janukowitsch im Vorfeld des Wahlkampfes 2004 durchgeführt. Doch die galoppierende Inflation zehrte diese Einkommenserhöhungen teilweise auf. Die Inflationsrate ist ein politischer Faktor in der Ukraine, offiziell wird sie mit zirka zehn Prozent angegeben, westliche Experten gehen hingegen von einer realen Inflation von 15 bis 20 Prozent aus. Ähnliches gilt für die Arbeitslosigkeit, die offiziell bei moderaten 3,8 Prozent liegt. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) beträgt die reale Arbeitslosigkeit in der Ukraine neun bis zehn Prozent, da die Mehrheit der Arbeitslosen nicht registriert ist. Dank guter Privatisierungserlöse (insbesondere den Verkauf des größten ukrainischen Stahlkombinats an Mittal Steel) konnte das ukrainische Haushaltsdefizit 2005 auf zwei Prozent des Bruttosozialprodukts (BSP) begrenzt werden, während im gleichen Zeitraum die Verschuldung der Ukraine im (westlichen) Ausland stark zunahm. Die gesamte externe Verschuldung stieg 2005 um 18,7 Prozent auf 23,3 Milliarden US-Dollar, bei einem BSP von 320 Milliarden US-Dollar. Obwohl dies einen der niedrigsten Werte im osteuropäischen Raum darstellt, gibt die rasche Zunahme der externen Verschuldung selbst Befürwortern der Westintegration der Ukraine Anlaß zur Sorge. Der diesjährige besonders harte Winter ließ die marode Infrastruktur in Teilen der Ukraine zusammenbrechen: Ganze Stadtteile waren tagelang ohne Wärmeversorgung, weit über 700 Personen kamen bei den eisigen Temperaturen ums Leben.

Angesichts dieser bescheidenen ökonomischen Bilanz der »orangen Revolutionäre« brauchen die »Blauen« um Janukowitsch nur an die Erfolge der Wirtschafts- und Sozialpolitik unter dem früheren Präsidenten Leonid Kutschma zu erinnern. Selbst das Osteuropa-Institut München muß ein Anwachsen der ukrainischen Mittelschicht zwischen 1998 und 2004 feststellen: So lebten 1998 30 Prozent der ukrainischen Bevölkerung nach eigener Aussage unter dem Existenzminimum, 46 Prozent bezeichneten sich als arm und lediglich 22 sahen sich als Vertreter der Mittelschicht. 2004 hatte sich die Situation grundlegend geändert. Jetzt schätzten nur noch fünf Prozent, daß ihr Lebensstandard unter dem Existenzminimum liegt, 35 Prozent bezeichneten sich als arm, während die Zahl der Menschen in der Mittelschicht auf 250 auf 57 Prozent anstieg. Dieser Wandel der ukrainischen Sozialstruktur stagniert seit 2005.
Update Gasstreit
In dem vorliegenden statistischen Material sind darüber hinaus die negativen Auswirkungen der Verdoppelung der Gaspreise auf die ukrainische Wirtschaft nicht berücksichtigt. Laut dem mit Gasprom geschlossenen Kompromiß zahlt die Ukraine ab dem 6. Januar 95 Dollar pro 1 000 Kubikmeter Erdgas. Dieser Preis kommt durch die Lieferung russischen Gases zu 230 Dollar, und turkmenischen zu 65 Dollar zustande, das durch das russische Pipelinenetz geleitet wird. Doch dabei wird es nicht bleiben. Ab Juni erhöht Turkmenistan den Gaspreis auf 80 Dollar, gegen Jahresende soll die Ukraine schon 100 Dollar zahlen. Die aktuellen Preisverhandlungen werden zusätzlich erschwert durch Anschuldigungen Turkmenistans, die Ukraine sei mit der Bezahlung des bereits gelieferten Erdgases im Verzug – die ukrainische Seite bestreitet diese Vorwürfe vehement. Darüber hinaus geraten die Modalitäten des Gasvertrages zwischen Rußland und der Ukraine verstärkt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Der gesamte in Zusammenhang mit russischen Gaslieferungen an die Ukraine stehende Zahlungsverkehr wird nun durch das Konsortium Rosukrenergo (RUE) abgewickelt, an dem zur Hälfte der russische Gasmonopolist Gasprom beteiligt ist. Die andere Hälfte hält offiziell die österreichische Raiffeisen Investment AG, die aber nur als Aufseher für eine Gruppe internationaler Investoren auftritt. Westliche Experten gehen davon aus, daß die Raiffeisen die Interessen ostukrainischer Oligarchen vertritt, die an der RUE beteiligt sind. Konkret soll es sich um den Schwiegersohn Kutschmas, Viktor Pintschuk, und Rinat Achmetow – einen der einflußreichsten, ostukrainischen Oligarchen – handeln, beides enge vertraute und Unterstützer Janukowitschs. Achmetow kandidiert bei den anstehenden Parlamentswahlen sogar auf der Liste der Partei der Regionen. Laut John Herbst, Botschafter der USA in der Ukraine, konnte RUE im vergangenen Jahr einen Gewinn von drei Milliarden Dollar erwirtschaften. Seit dem Abschluß des russisch-ukrainischen Gasabkommens dürfte ein Teil der Erlöse als indirekte Wahlkampfunterstützung der Partei der Regionen zukommen.
Geopolitik
So ließ John Herbst kürzlich verbreiten, er sehe in Rosukrenergo eine verdächtige Organisation, und es sei schwer zu begreifen, wieso sie eine solch wichtige Rolle spiele. Prompt nahm der ukrainische Geheimdienst Ermittlungen gegen RUE auf, die den unklaren Eigentumsverhältnissen im Konsortium auf den Grund gehen sollen. Doch RUE ist nicht das drängendste Problem, mit dem sich die westlichen Interessenvertreter in der Ukraine konfrontiert sehen. Ein eindeutiger Wahlsieg der »Blauen«, der prorussischen, von der Donezk-Oligarchie kontrollierten Partei der Regionen, könnte der Westintegration ein jähes Ende bereiten. Dies wäre wahrscheinlich, wenn Janukowitschs Partei genügend Stimmen bekäme, um mit kleineren, prorussischen Gruppierungen eine stabile Mehrheit in der Rada zu bilden und wenn Juschtschenkos Pläne eines Verfassungsreferendums endgültig scheitern sollten. Die russische Iswestija nahm kürzlich diejenigen ukrainischen Gruppierungen unter die Lupe, die schon traditionell vor wichtigen Wahlen um Unterstützung im Kreml anfragen. Neben der Partei der Regionen sind es die Kommunisten, die Opposition des Volkes sowie der Wahlblock des Parlamentspräsidenten Wladimir Litwin. Diesmal soll laut Iswestija Moskau diese Parteien drängen, etwaige Differenzen zu überwinden und eine gemeinsame Agenda zu verfolgen: »Im Alleingang interessiert ihr uns nicht. Ihr arbeitet auf demselben politischen Feld, insofern solltet ihr euch zusammensetzen und euch einigen«, so die Tageszeitung. Der Kreml agiert nun weitaus vorsichtiger, öffentliche Sympathiebekundungen Putins für Janukowitsch bleiben diesmal aus, offene Kritik an Juschtschenko und den »Orangen« findet man in der russischen Presse äußerst selten. Ein Treffen zwischen Putin und dem ukrainischen Präsidenten am 11. Januar diente vor allem der Normalisierung der Beziehungen. Der Kreml antizipiert einen Machtzuwachs prorussischer Kräfte bei der kommenden Parlamentswahl, normalisierte Beziehungen zu einem geschwächten Juschtschenko könnten die Spannungen bei einer eventuell anstehenden außenpolitischen Neuausrichtung der Ukraine deutlich mindern. Parallel zum politischen Tauwetter wird vom Kreml der ökonomische Druck aufrechterhalten. Die russischen Importverbote für etliche ukrainische Lebensmittelprodukte bleiben wohl bis zu den Wahlen bestehen, doch achtet Moskau tunlichst darauf, die Eskalationsschwelle nicht zu überschreiten, um eine breite Solidarisierung der Bevölkerung mit den prowestlichen Kräften zu vermeiden.

Von einer vorsichtigen oder flexiblen Politik des Westens kann hingegen keine Rede sein. Die Bemühungen, die Ukraine möglichst schnell in das westliche Bündnissystem zu integrieren, gewinnen an Dynamik. Am 20. Februar gab der schwedische Botschafter in einem Zeitungsinterview bekannt, daß sein Land der Ukraine bis 2008 jährlich 20 Millionen US-Dollar zukommen lassen werde, um diejenigen »Reformen« zu unterstützen, die auf die Errichtung der »Standards der EU« – insbesondere im ökonomischen Sektor – abzielten. Mitte Februar bekundete NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer bei einem Arbeitsbesuch in Warschau seine volle Unterstützung für einen baldigen Beitritt der Ukraine, ohne jedoch ein konkretes Datum zu nennen. Die Forderungen der Opposition, ein Referendum in dieser Frage abzuhalten, wies der ukrainische Außenminister Borys Tarasiuk als »Provokation« zurück. Eine hochrangige ukrainische Militärdelegation beteiligte sich kürzlich an Manövern der US-Armee in Fort Bregg, North Carolina. Das Treffen diene dem Erfahrungsaustausch, hieß es hierzu von offizieller Seite. Darüber hinaus haben die USA der Ukraine den Status einer »Marktwirtschaft« zuerkannt, um den WTO-Beitritt des Landes zu beschleunigen. Die intensivsten Bemühungen um die Fortführung der ukrainischen Westintegration legt aber die polnische Außenpolitik an den Tag. Ende Februar fand sich Polens Präsident Lech Kaczynski zu einem offiziellen Staatsbesuch in Kiew ein, um dem bedrängten Juschtschenko kaum verhüllte Wahlkampfhilfe zu leisten. Polen glaube, daß die Ukraine den westlichen Kurs halten werde, und die mögliche Rolle Kiews in der Sicherung der Energieversorgung Europas sei ein Faktor, der die Integration der Ukraine in die euroatlantische Welt beschleunigen könnte, gab Kaczynski gegenüber der Wochenzeitung Dzerkalo Tyznia zu Protokoll. Im Zentrum der bilateralen Gespräche stand folglich die Energiesicherheit der Region, die durch das Diversifizieren der Energieversorgung erreicht werden soll. Konkret ging es um die Beschleunigung des Odessa-Brodny-Gdansk-Projekts, einer Pipeline, die an Rußland vorbei kaspisches Gas in die Ukraine, Polen und schließlich Westeuropa liefern soll.

Selbstverständlich sind auch die üblichen Vorfeldorganisationen US-amerikanischer Außenpolitik in der Ukraine aktiv. Seit 2005 arbeitet die Stiftung des Milliardärs George Soros offen in der Ukraine, die mit einem Kapital von 5,5 Millionen US-Dollar die dortigen Reformen unterstützen soll. Selbst der Civil Liberties Fund des Milliardärs Boris Beresowski kann seine Aktivitäten frei entfalten, nachdem der Streit zwischen dem exilierten, russischen Oligarchen und Teilen der Juschtschenko-Administration beigelegt wurde. Beresowski hatte die »Orangen« bezichtigt, Gelder, die er zur Finanzierung ihrer Wahlkampagne 2004 bereitgestellt hatte, veruntreut zu haben. Wenige Wochen später war sein Civil Liberties Fund in der Ukraine legalisiert. Daneben sind die offiziellen Vorfeldorganisationen der beiden großen amerikanischen Parteien in der Ukraine aktiv – das mit der republikanischen Partei assoziierte International Republican Institute (IRI) und dessen demokratisches Gegenstück, das National Democratic Institute (NDI). Beide Organisationen haben seit Jahren durch professionelle Schulung und finanzielle Unterstützung zum Aufbau der »orangen Opposition« beigetragen und so das politische Spektrum des Landes radikal verändert. Stand bei den Präsidentschaftswahlen 1999 noch die Systemfrage zur Wahl, als der Vorsitzende der Kommunistischen Partei der Ukraine, Petro Symonenko, knapp gegen Kutschma unterlag, so kann die KPU am 26. März froh sein, wenn sie überhaupt in das Parlament einzieht. Der ukrainische Wähler kann nun zwischen einer westlich oder einer östlich orientierten Oligarchie wählen, die »Europäischen Standards« wären somit beinahe erreicht.

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