Kopf an Kopf nach ganz rechts

Publiziert am 08.10.2005 in „junge welt“

In Polen wird am Sonntag ein neuer Präsident gewählt. Die Favoriten lassen nichts Gutes erwarten

Bei der am Sonntag anstehenden Präsidentschaftswahl in Polen zeichnet sich in enges Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Kandidaten der wirtschaftsliberalen Bürgerplattform (PO), Donald Tusk, und Lech Kaczynski von der rechtskonservativen Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS) ab. Derzeit führt nach den neuesten Wahlumfragen Tusk mit 40 Prozent vor Kaczynski, der auf 35 Prozent kommt. Die übrigen Kandidaten, wie der Bauernführer Andrzej Lepper oder der Sozialdemokrat Borowski, sind mit jeweils etwa zehn Prozent Wählerzuspruch weit abgeschlagen.

Die Kaczynskis propagieren eine radikale, autoritäre und konservative Transformation des politischen und kulturellen Überbaus der polnischen Gesellschaft. In einer neuen, »Vierten Republik«, an deren Spitze ein mit weitgehenden Machtmitteln ausgestatteter Präsident stehen soll, würde der Einfluß des katholischen Klerus weiter gesteigert, die Unabhängigkeit der Justiz unterminiert, ein »traditionelles« Frauenbild gepflegt und das Strafrecht verschärft werden. Mit dem aggressiven Nationalismus der Kaczynskis korrespondiert eine soziale Demagogie, die insbesondere die Familie ins Zentrum der staatlichen Fürsorge rücken will. Für Abweichungen von dieser – katholischen – Norm hat Lech Kaczynski hingegen kein Verständnis, eine in Warschau geplante Gayparade, den »Marsch der Gleichheit« verbot der derzeitige Bürgermeiter mit fadenscheinigen Gründen.

Einen weiteren Schwerpunkt legt die PiS auf die verstärkte politische Kontrolle der Justiz. So soll der Präsident die Spitzenpositionen innerhalb des Justizapparates besetzen können. Legitimiert werden diese Maßnahmen mit der in Polen äußerst beliebten Parole vom »Kampf gegen die Korruption«, die in der Vorstellung der Kaczynskis mit dem »Kampf gegen die Kommune« zusammenfällt. Mit der »Kommune« bezeichnet die PiS die Sozialdemokraten der SLD, obwohl diese eine ordinäre, neoliberale Politik während der vergangenen vier Jahre betrieben haben.

Unter ähnlichen Wahrnehmungsproblemen leidet auch der Präsidentschaftskandidat der PO, Donald Tusk. In den Kreisen der PO gilt schon die Arbeitslosenunterstützung oder ein staatliches Renten- und Gesundheitssystem als Kommunismus. Tusk war in den neunziger Jahren Vizevorsitzender der eher linksliberalen »Union der Freiheit« (UW). Nach deren Zerfall gründete er 2001 die PO. Die Liberalität der PO endet aber bei der parteiinternen Politik. So hat sich Tusk höchstpersönlich um die Plazierung der Kandidaten auf die Parlamentswahllisten gekümmert, der Parteitag der PO hatte dem nur noch zuzustimmen.

Gegenwärtig bemüht sich Tusk um ein gemäßigtes und seriöses Auftreten, das seine radikale Politikvorstellungen kaschieren soll. Der von der PO angepeilte Sozialabbau wird mit den auch hierzulande sattsam bekannten »Sachzwängen« gerechtfertigt. Als der Kandidat sich noch nicht um die Stimmen von Millionen Polen bewarb, gab auch er gegenüber den Medien seine Meinung freimütig zu Protokoll: Den Widerstand der Bevölkerung gegen wirtschaftsliberale Politik müsse notfalls mit Gummiknüppeln und Gewehren gebrochen werden – eine der letzten linken Tageszeitungen Polens, die Trybuna, recherchierte diese und andere Absonderungen dieses Vorzeigeliberalen. Tusk war 1992 zum Zeitpunkt dieser Aussagen Vorsitzender des Liberal-Demokratischen Kongresses (KLD), einer Vorläuferorganisation der UW. Nach dem KLD, der UW und der »Demokratischen Union« (UD) ist die PO die vierte politische Heimat des Donald Tusk innerhalb von 15 Jahren.

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