Verbaler Schlagabtausch

„Junge Welt“, 15.04.2008
Nach Bukarester NATO-Gipfel zunehmende Spannungen zwischen Rußland und der Ukraine. Moskau will Beitritt Kiews zum Nordatlantikpakt auf jeden Fall verhindern

Die Auseinandersetzungen während des Bukarester ­NATO-Gipfels Anfang April haben ihre Spuren in den russisch-ukrainischen Beziehungen hinterlassen. Aufgrund massiver Kritik aus Moskau und der Opposition Frankreichs und Deutschlands wurden weder die Ukraine noch Georgien in den »Membership Action Plan« der NATO aufgenommen, der gemeinhin als Vorstufe einer Vollmitgliedschaft in der westlichen Militärallianz gilt. Als Zugeständnis an die USA, die die Integration beider ehemaligen Sowjetrepubliken möglichst bald realisieren wollen, wurde in Bukarest die Bereitschaft zu deren Aufnahme in den Nordatlantikpakt prinzipiell bekräftigt – allerdings ohne einen konkreten Zeitplan zu nennen.

Dieses geopolitische Patt von Bukarest löste eine Reihe diplomatischer Nachhutgefechte zwischen Moskau und Kiew aus, die die bilateralen Beziehungen beider Länder dauerhaft belasten könnten. Für helle Aufregung sorge in ukrainischen Regierungskreisen die Ankündigung des General­stabschefs der Streitkräfte Rußlands, Juri Balujewski, im Falle eines ­NATO-Beitritts der Ukraine »militärische Maßnahmen« zur Sicherung der Grenzen der Russischen Föderation zu ergreifen, wie die Nachrichtenagentur RIA-Novosti am Freitag berichtete. Ähnlich eindeutig formulierte Warnungen äußerte vergangenen Woche der russische Außenminister Sergej Lawrow in einem Interview mit dem Radionsender Echo Moskaus, indem er betonte, daß »Rußland keine Mühen sparen wird, einen Beitritt der Ukraine und Georgiens« zur NATO zu verhindern.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Duma, Konstantin Kosatschew, nannte bereits erste Details möglicher russischer Gegenmaßnahmen in einem solchen Fall. Demnach würde der Kreml jegliche »Kooperation im Verteidigungs- und Industriekomplex« mit Kiew kappen. Dieses Szenario wäre laut der Tageszeitung Kommersant für die Ukraine »eine Katastrophe«.

Ukrainische Politiker reagierten mit massiver Kritik auf diese Warnungen. Der dem prowestlichen ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko nahestehende ehemalige Verteidigungsminister Anatoli Grizenko forderte eine harte Reaktion Kiews: »Rußland hat die Grenze überschritten … Es muß auf dem höchsten staatlichen Niveau – des Präsidenten, des nationalen Sicherheitsrates und der Regierung – reagiert werden«, zitierte RIA-Nowosti Grizenko.

Am Samstag folgte tatsächlich eine offizielle Note der ukrainischen Außenministeriums, in der Kiew betont, seine »Souveränität« notfalls »zu verteidigen«. Rußland wird zudem aufgefordert, die an die Ukraine gerichteten »Drohungen« einzustellen und die »Bestimmungen des ukrainisch-russischen Vertrages über Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft strikt einzuhalten«. Anfang April debattierte das russische Parlament bereits über die »Revision des Partnerschaftsvertrages«, wie die ukrainische Nachrichtenagentur NRCU berichtet. »Das Ziel der Anhörungen besteht darin herauszufinden, ob es notwendig ist, Ergänzungen und Änderungen daran vorzunehmen«, teilte Alexej Ostrowski, Vorsitzender des Staatsduma-Ausschusses für GUS-Fragen, gegenüber NRCU mit.

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