Schwarz-Braun macht mobil

Telepolis, 28.08.2017

Nach dem parlamentarischen Dammbruch von Magdeburg: Droht der Bundesrepublik eine reaktionäre Front aus Konservativen und Rechtsextremisten? – Ein Kommentar

Es ist ein fatales Signal: Mitten im Wahlkampf haben deutsche Konservative in aller Offenheit gemeinsame Sache mit einer Partei gemacht, in der Rechtsextremisten, in der Nazis ihre politische Heimat gefunden haben. Dieser braune Dammbruch, der sich im sachsen-anhaltischen Landtag abspielte, dürfte nur den Vorschein der autoritären Transformation der Bundesrepublik bilden, die von der Rechten innerhalb und außerhalb des Staatsapparates forciert wird.

Die AfD-Fraktion im Landtag von Magdeburg entschloss sich, das rechtlich umstrittene Verbot des linksradikalen Portals linksunten.indymedia durch Innenminister de Maiziare mit einer eigenen parlamentarischen Initiative zu flankieren. Als ob das ehemalige Land der Frühaufsteher am Rande der kommunistischen Revolution taumelte, brachte die AfD eine Enquete-Kommission zur „Untersuchung von Linksextremismus“ auf den parlamentarischen Weg. Das Kalkül der Rechtspopulisten in Magdeburg ist evident: Sie wollten die repressive Kampagne des Innenministers schlicht unterstützen, sie weiter ins antidemokratische Extrem treiben.

Die Grünen, die SPD und die Linkspartei stimmten gegen das Vorhaben: Wenn die AfD über „Linksextremisten“ spreche, dann meine sie in Wirklichkeit „Andersdenkende“, warnte der SPD-Abgeordnete Rüdiger Erben am vergangenen Donnerstag. Der parlamentarische Vorstoß der AfD zielte in Wahrheit darauf, „zivilgesellschaftliche Akteure einschüchtern, die sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit engagieren“. Die AfD wiederum behauptete, sie wolle prüfen „wie eng das linke Netz gespannt ist zwischen der sogenannten Zivilgesellschaft und der militanten Antifa“. Die AfD ist in Sachsen Anhalt immer wieder bemüht, das Phantom einer Staatsbedrohung durch Antifaschisten zum Leben zu erwecken, etwa mit kleinen Fanfaren im Landtag.

Was eigentlich eine routinemäßige Abstimmung werden sollte, bei der die Koalition aus CDU, SPD und Grünen gegen den AfD-Antrag stimmte, weitete sich zum Skandal: Teile der CDU brachen alle diesbezüglichen Parteibeschlüsse sowie Koalitionsabsprachen und stimmten für die Initiative der AfD. Dies ist umso bemerkenswerter, weil die AfD der Unterstützung der CDU gar nicht bedurfte. Die ins Extrem strebenden Rechtspopulisten verfügen im Landtag von Magdeburg über genügend Stimmen, um eine Enquete-Kommission ins Leben zu rufen.

Es handelte sich um eine bewusst kalkuliertes Manöver der CDU, um schon mal eine solche braune parlamentarische Option auszuloten. CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt hat seine Abgeordneten vor der Abstimmung von der Fraktionsdisziplin bewusst freigestellt – offensichtlich, um den Skandal zu provozieren. Es war ein erster Vorstoß der schwarzbraunen Kräfte innerhalb der CDU in Richtung einer autoritären, reaktionären Parlamentsmehrheit.

Es folgten wütende Reaktionen der Koalitionspartner der CDU. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven Kindler warnte vor dem bundespolitischen Fallout des braunen Dammbruchs vom Magdeburg: „In Sachsen-Anhalt paktieren AfD und CDU im Landtag. Wie weit geht das noch? Modell für Bundestag?“. Jürgen Trittin (Grüne) stellte die demokratische Glaubwürdigkeit der CDU infrage: „Wie glaubwürdig ist die Abgrenzung der Union nach rechts noch, wenn sie gegen die eigenen Koalitionspartner mit der AfD paktiert?“.

Und dennoch wird dieser demokratische Tabubruch der CDU keine nennenswerten Folgen haben, da den Koalitionspartnern der CDU die Koalitionsposten viel wichtiger sind als alle antifaschistischen Überzeugungen. Deshalb sprechen die Grünen im Landtag auch nicht vom Koalitionsbruch. Die Bündnisgrünen haben Angst vor Neuwahlen, vor der Fünf-Prozent-Hürde, vor Postenverlust. Dies dürfte auch den Rechtsauslegern in der CDU klar gewesen sein, als sie ihren parlamentarischen Vorstoß ins braune Lager planten. Die CDU habe sich als „nicht verlässlich“ erweisen, man könne deren Entscheidung nicht nachvollziehen, hieß kleinlaut es seitens der Grünen.

Gerade in diesen ohnmächtigen Reaktionen auf die offene Kooperation zwischen CDU und AfD, in der weitgehenden Apathie, auf die dieser Vorstoß auf Bundesebene traf, wird die diskursive Hegemonie der Rechten in der Bundesrepublik deutlich. Die autoritären und reaktionären Tendenzen in der Bundesrepublik, die das Fundament des Aufstiegs der Neuen Rechten bilden, sind ungebrochen – allen aktuellen Wahlprognosen zum Trotz. Dies ist vor allem deswegen der Fall, weil die sozioökonomische Krisendynamik, die dieser reaktionären Bewegung zugrunde liegt, ungebrochen ist.

Das ist ein Dammbruch und ein Meilenstein in der Entwicklung der AfD“

Weite Teile der „Mitte“ (Die extremistische Gesellschaft) – nicht nur innerhalb der CDU – sind zunehmend anfällig für antidemokratische, fremdenfeindliche Ressentiments. Es ließe sich gar argumentieren, dass dieser Vorstoß der CDU als eine Art Wahlkampfhilfe für die AfD fungiert, die inzwischen um ihren Einzug in den Bundestag bangen muss. Die braune Option will man sich in den schwarzbraunen Kreisen offenhalten.

Damit gehen die offen reaktionären Elemente in der CDU auch auf Konfrontationskurs zu Merkel, die bislang eine Koalition mit den Rechtspopulisten und Rechtsextremisten der AfD ausschloss. In der Welt am Sonntag musste Merkel abermals klar machen, dass die „AfD für uns kein Partner für irgendeine Form der Zusammenarbeit sein kann“. Man müsse versuchen, die Wähler der AfD zurückzugewinnen, dies erfordere „Geduld mit den Sorgen der Menschen und den Versuch, sie immer wieder mit konkreten Lösungen für konkrete Probleme anzusprechen“.

Bei der AfD knallten hingegen die Sektkorken: „Das ist ein Dammbruch und ein Meilenstein in der Entwicklung der AfD“, tönte der Führer der AfD-Landtagsfraktion in Magdeburg, André Poggenburg, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Da ein Großteil der Parlamentarier der CDU für den Antrag der AfD gestimmt habe, zeige dies deutlich, dass die Strategie „Fundamentalopposition“ erfolgreicher sei als der „realpolitische Kurs“ von Parteichefin Frauke Petry, erklärte Poggenburg, der zum rechtsextremen Flügel der Partei um Björn Höcke gehört, der aus unerfindlichen Gründen immer noch als „rechtsnational“ bezeichnet wird.

Dynamik der „ideologischen Radikalisierung“

Denn selbstverständlich ist die AfD längst nicht mehr das, was sie bei ihrer Gründung war: eine rechtspopulistische „Professorenpartei“, die von minderbemittelten Ökonomen und Managern gegründet wurde, die die neoliberale Ideologie ernst nahmen, die sie alltäglich predigten. Die Partei erfährt einen Prozess des „Ins-Extrem-Treibens“, bei dem sich immer weiter rechts stehende Kräfte durchsetzen – während in der Öffentlichkeit immer noch das Bild einer bloß populistischen Partei aufrechterhalten wird. Dabei haben längst Rechtsextremisten wichtige Schalthebel der Macht in der AfD erobert.

Diese Dynamik der „ideologischen Radikalisierung“ ist ja auch bestens nachvollziehbar, wenn nur der Will hierzu gegeben ist. Die prominenten rechtspopulistischen Gründerväter der ehemaligen „Professorenpartei“ AfD, der Ökonom Bernd Lucke und der Manager Hans-Olaf Henkel, haben diese angesichts zunehmender rechtsextremistischer Tendenzen längst verlassen, um mit ihrer rechtspopulistische Partei „Alfa“ in der politischen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.

Henkel erklärte schon bei seinem Ausscheiden, die Entwicklung der AfD „in Richtung einer NPD“ schon sei absehbar, wie er im Interview mit dem Handelsblatt ausführte. Parteigründer Lucke erklärte bei seinem Parteiaustritt wiederum, er wolle nicht als „bürgerliches Aushängeschild“ für ausländerfeindliche Ansichten missbraucht werden. Die Konterrevolution frisst ihre Kinder.

Die Gründerväter der AfD unterlagen damals den offen xenophoben Kräften um Frauke Petry. Sie wiederum hat bekanntlich ihren Machtkampf mit dem offen nationalsozialistisch agitierenden Höcke verloren, der sich eindeutig durchsetzen konnte. Und es ist gerade die CDU in Sachsen-Anhalt, die diesem rechtsextremen, mit Nazis durchsetzen Flügel der AfD weiteren Auftrieb gegen die bloßen „Populisten“ verschaffte. Die „fundamentalistischen“ Rechtsextremisten in Schlips und Kragen im Magdeburger Landtag fühlen sich somit gestärkt gegenüber den „realpolitischen“ Populisten um Petry.

Björn Höcke wiederum gilt, wie Thomas Oppermann feststellte, als Nazi, als Nationalsozialist. Höcke gibt bei Kundgebungen gerne leicht modifizierte Goebbels-Reden zum Besten, um seine Gefolgschaft aufzuhetzen. Der Machtkampf zwischen Höcke und Petry entbrannte, nachdem Höcke eine eindeutig antisemitische Rede gehalten hatte, da er die öffentliche Erinnerung an den Holocaust für unerträglich hält. Der Versuch, Höcke aus der AfD zu werfen, scheiterte. Stadtessen wurde Petry kaltgestellt, die nun als eine bloße Galionsfigur ohne reelle Machtbasis in einer mit Rechtsextremisten durchsetzten AfD firmiert.

Es ist somit keine Übertreibung, inzwischen von der AfD als einen potenziellen braunen Koalitionspartner zu sprechen, den die Rechtsausleger in der CDU mitten im Wahlkampf aufzubauen versuchen. Nochmals, zum Mitschreiben: Es sind Mitglieder des rechtsextremen Flügels um Höcke, die in Magdeburg das Sagen haben. Mit diesen Kräften haben weite Teile der CDU-Fraktion kooperiert, mit Zustimmung der Fraktionsführung. Und deren Grüne Koalitionspartner können hier keinen Grund für einen Koalitionsbruch sehen.

Strategie der Spannung im Wahlkampf

Noch erschreckender als die parlamentarischen Annäherungsversuche zwischen Schwarz und Braun ist die Instrumentalisierung des Staatsapparates im Wahlkampf durch die offen reaktionären Kräfte in der CDU. Der im schönsten Sachsensumpf sozialisierte Innenminister der Bundesrepublik betreibt Wahlkampf durch Verbotsverfügungen gegen linke Newsportale, bei denen die Polizei offensichtlich Falschmeldungen über angebliche Waffenfunde verbreitete. In einer klassischen Strategie der Spannung soll das Gespenst einer linksextremistischen Bedrohung die öffentliche Legitimation schaffen, um den autoritären Umbau des Staates voranzutreiben. Die absurde Angst vor kommunistischen Gespenstern, die der Innenminister – in evidenter Kooperation mit der AfD – schürt, soll den Widerstand gegen diese autoritären Bestrebungen lähmen.

Den Vorwand zum staatlichen Demokratieabbau schafft sich der bürgerliche der Staat gerne selber. https://g20-doku.org/ Dies geschah mittels der Eskalationstaktik der Polizeikräfte bei den G20-Protesten in Hamburg. Nach den Übergriffen der Polizei auf einen Demonstrationszug, bei denen eine Massenpanik in Kauf genommen wurde, nach den daraufhin folgenden Ausschreitungen, nach hysterischer Berichterstattung der Springerpresse, hat sich der Staatsapparat die Legitimierung für ein Anziehen der Repression selber geschaffen. Es ist letztendlich ein in Hamburg initiiertes Warmlaufen für den Ausnahmezustand. Und es ist gerade die AfD, die hier begeistert mitmarschiert in den autoritären Krisenstaat.

Nichts ist der neuen deutschen Rechten so verhasst, wie ein klares Geschichtsbewusstsein, weil sie mit aller Kraft vergessen machen will, wozu sie fähig ist, wenn sie ihren Wahn frei entfalten kann. Gerade deswegen ist es notwendig, die evidenten historischen Parallelen zum deutschen Vorfaschismus zu benennen. Autoritäre Tendenzen im Staatsapparat, eine Justiz, die auf dem rechten Auge blind ist, eine im Aufstieg befindliche extrem Rechte – sie prägten ebenfalls die Endphase der Weimarer Republik. Auch damals gab eine politische Kooperation zwischen Konservativen und Nazis: die kurzlebige Harzburger Front legte den Grundstein für den Tag von Potsdam.

Eine ähnliche Konstellation des drohenden Vorfaschismus zeichnet sich auch jetzt überdeutlich ab – nicht nur politisch, sondern vor allem auf der sozioökonomischen Ebene: Die schwere Systemkrise von 1929, die dem Faschismus den Weg bereitete, findet ihre Entsprechung im gegenwärtigen Krisenprozess, der keineswegs überwunden ist. Die Angst vor der Krise ist es, die – vermittels Personifizierung der Krisenursachen und Sündenbocksuche – der Rechten die Wähler zutreibt (Die Bewegung als Bewegung).

Der Aufstieg der AfD legt aber auch die schwachen bürgerlich-demokratischen Traditionen in der Bundesrepublik offen. Es ist die Angst vor der Krise in Südeuropa und in der vom Staatszerfall voll erfassten Peripherie, die die AfD stark machte. Was in Deutschland sich abspielen würde, wenn hierzulande – ähnlich wie in Griechenland – eine Arbeitslosenquote von 20, 30 Prozent herrschte, will man sich kaum vorstellen.

Ähnlich sieht es mit den autoritären Tendenzen im deutschen Staatsapparat aus. Kaum wurde in den USA ein Rechtspopulist an die Macht gewählt, gewinnen reaktionäre Kräfte im Staat Oberwasser, sie kooperieren mit der Rechten immer offener. Die Schwäche der deutschen Demokratie ist evident: Staatlich provozierte Randale in Hamburg reichen vollkommen aus, um eine autoritäre Offensive der reaktionären Elemente innerhalb der Staatsmacht zu entfesseln.

Ein Blick in die Geschichte zeigt aber auch, wie der Aufstieg des Faschismus in etlichen Ländern gestoppt werden konnte. Dies geschah meistens durch eine antifaschistische Volksfront-Strategie, bei der alle nicht-faschistischen Kräfte allen Unterschieden zum Trotz kooperierten, um den braunen Ansturm zu brechen. In Anlehnung an eine alte Kampagne der CDU ließe es sich somit formulieren: Auf in die Zukunft – aber nicht in braunen Springerstiefeln.

Nach oben scrollen