Fahnen im Wind

„Junge Welt“, 29.08.2007
Kremltreues »Gerechtes Rußland« will sich mit Sozialdemokraten und Kommunisten zur »Sozialistischen Partei« vereinigen

Sergej Mironow sieht das »Gerechte Rußland« auf Expansionkurs. Der Vorsitzende dieser als kremltreu geltenden russischen Linkspartei gab sich vor kurzem optimistisch, endlich »alle linken Kräfte« vereinigen zu können. Unterstützend solle hierbei eine Umbenennung zur »Sozialistischen Partei« wirken, so Mironow, der zugleich »Oppositionspolitiker« und Vorsitzender des Föderationsrates, des Oberhauses des russischen Parlaments, ist. Der zukünftige Sozialist äußerte die Hoffnung, die ehemals von Michail Gorbatschow gegründete sozialdemokratische Partei (SDPR), und vor allem die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) in seiner Gruppierung aufgehen zu sehen. Zumindest im Fall der Kommunisten mußte aber Mironow zugestehen, das eine etwaige Vereinigung an der »destruktiven Position« der Parteiführung scheitern könnte, wie RIA-Nowosti berichtete.

Druck auf Kommunisten

In der Tat wehrt sich die KPRF buchstäblich mit Händen und Füßen gegen die vom Kreml favorisierte Auflösung dieser letzten bedeutenden, linken Oppositionskraft Rußlands. Dabei wird der Druck auf die Partei in letzter Zeit sukzessive erhöht. Am 20. August marschierten mehrere Dutzend Aktivisten der kremltreuen Jugendorganisation »Junge Garde« vor dem Moskauer Parteikomitee der KPRF auf. Auf der Umzäunung des Parteigrundstücks wurden Plakate und Banner ausgehängt, die »Hammer und Sichel ins Mausoleum« verbannt sehen wollten und die russische Trikolore als »wahre Flagge« Rußlands propagierten.

Mitglieder der Kommunistischen Jugendunion (KJU) und der Avantgarde der Roten Jugend (AKM) organisierten spontan eine Gegendkundgebung, in deren Verlauf es zu gewalttätigen Zusammenstößen mit der Putinjugend kam. Die nach wenigen Minuten auftauchende und ins Geschehen eingreifende Polizei trennte die Konfliktparteien und verhaftete mehrere junge Kommunisten, darunter den Vorsitzenden der AKM, Sergej Udalzow, die bis zum frühen Abend auf dem Gelände der Parteizentrale der KPRF festgehalten wurden – bis des Kremls junge Karrieristengarde ihre Provokation abgeschlossen hatte. Gegenüber der Zeitung Kommersant erklärte Polina Orechowa, Sprecherin der »Jungen Garde«, daß man mit dieser Aktion gegen »kommunistische Dogmen« protestieren wollte: »Die Kommunistische Partei will die Rückkehr der UdSSR, aber wir leben in einem anderen Land«, so die Zustandsbeschreibung Orechowas.

Abtrünnig

Am folgenden Tag, dem 21. August, legte dann Mironows »Gerechtes Rußland« nach. Während einer Pressekonferenz im Moskauer Hotel Ismailowo kündigten Mitglieder der KJU an, fortan nicht mehr mit der KPRF zusammenarbeiten zu wollen. Statt dessen wollen die abtrünnigen Jungkommunisten bei den künftigen Wahlen Mironows Partei unterstützen. Bei der als »KJU-Kongreß« bezeichneten Zusammenkunft sollen laut Kommersant an die 80 KJU-Aktivisten anwesend gewesen sein, die ihren Übertritt mit der Stagnation der KPRF begründeten. Zudem verfüge »Gerechtes Rußland« über alle Voraussetzungen für eine Vereinigung, da »es nicht auf Demagogie zurückgreift, sondern sich mit richtigen Angelegenheiten beschäftigt«, erklärte der ehemalige KJU-Aktivist Konstantion Schukow. Anwesend waren auch Mitglieder der mit »Gerechtes Rußland« verbundenen Jugendbewegung »Hurra!«. Der Vorsitzende von »Hurra!«, Sergej Schargunow, freute sich in einer Stellungnahme, daß die Überläufer »genügend Courage und Weisheit besitzen, um die politische Situation zu verstehen«.

Die weiterhin bei der KPRF verbleibenden KJU-Mitglieder warfen den Überläufern umgehend vor, von »Gerechtes Rußland« bezahlt zu werden sowie »politische Befehle auszuführen, mit denen Spannungen zwischen ›Gerechtes Rußland‹ und den Kommunisten erzeugt werden sollen«.

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