Bremsversuche von Kaczynski

„Junge Welt“, 11.07.2007
Polen: Nach der Entlassung ihres Vizepremiers verfügt die rechtskonservative Regierungskoalition über keine Mehrheit im Parlament. Große Teile der Opposition verlangen Neuwahlen

Polens Regierung ist geplatzt. Dem am Montag abend überraschend entlassenen Vizepremier und Landwirtschaftsminister Andrzej Lepper wird die Verstrickung in eine Korruptionsaffäre vorgeworfen. Am Dienstag erklärte Polens Premier Jaroslaw Kaczynski dazu, er hätte keine andere Wahl gehabt, da es sich um »kriminelle Tätigkeiten« gehandelt haben soll, bei denen es um »viele Millionen Zloty« geht. Und schließlich gehöre Korruptionsbekämpfung zu den Grundsätzen seiner Regierung. Sollte sich der Verdacht gegen Lepper nicht bestätigen, könne dieser in die Regierung zurückkehren, so Kaczynski.

Doch darauf möchte Lepper, zugleich Chef der populistischen Bauernpartei Samoobrona (SO), nicht mehr eingehen. Während einer Fernsehsendung bezeichnete der gerade geschaßte Vizepremier die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als ein »schmutziges Spiel« und schwor feierlich »mit der Hand auf dem Herzen«, nie mehr in die Kaczynski-Koalition gehen zu wollen. Laut Lepper waren zuvor Funktionäre des von den Kaczynski-Brüdern aus der Taufe gehobenen »Zentralen Antikorruptionsbüros« (CBA) ohne sein Wissen in das Landwirtschaftsministerium und in die Parteizentrale der SO eingedrungen. Zudem soll Lepper abgehört worden sein.

Eine mögliche Koalition mit den rechtskonservativen Saubermännern der größten Regierungspartei PiS lehnte auch die radikal wirtschaftsliberale Bürgerplattform PO entschieden ab. Eine derartige Konstellation sei »unsinnig«, hieß es aus Parteikreisen. Gemutmaßt wurde, daß die jetzt veröffentlichte Affäre um Lepper von einem anderen Skandal ablenken soll: Die Zeitschrift Wprost hatte Mitschnitte von Vorlesungen des einflußreichen, erzkonservativen Redemptoristenpriesters »Vater Rydzyk« veröffentlicht, dessen katholisches Medienimperium zum Wahlsieg der PiS entscheidend beigetragen hatte. In diesen »Predigten« hatte Rydzyk die damalige Präsidentengattin aufs schärfste beleidigt und sich in antisemitischer Hetze geübt. Anstatt nun gegen die Redemptoristen (»Erlöser«) entschieden vorzugehen, wurde die »Sache mit Lepper schnell« initiiert.

Ebenfalls am Dienstag drängte die Opposition auf Parlamentsauflösung. die sozialdemokratische »Vereinigung der demokratischen Linken« (SLD) kündigte an, einen Antrag über die vorzeitige Neuwahlen in den Sejm einzubringen, um schon im September abstimmen zu können. Die PO betonte ebenfalls, daß die »Regierung von Lepper, Giertych und Kaczynski zu Ende ist«. Einzig die um ihren Wiedereinzug ins polnische Parlament bangende, rechtsextreme »Liga der Polnischen Familien« (LPR) betonte, in der Koalition verblieben zu wollen. Die PiS versucht derweil zu bremsen. Jaroslaw Kaczynski erklärte im polnischen Radio, daß man erst die Sommerferien abwarten wolle und im September eine Entscheidung fällen werde. Offensichtlich werden sich die Konservativen wiederum bemühen, entweder mit der gemäßigten Bauernpartei PSL eine Regierungskoalition zu bilden, oder genügend Abgeordnete der SO abzuwerben, um eine Regierungsmehrheit zu erlangen.

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