Vor der Spaltung

„Junge Welt“, 08.11.2011
Polens Rechtskonservative schließen nach Wahldebakel mehrere Kritiker aus

Nur wenige Wochen nach der verlorenen Parlamentswahl mehren sich die Erosionstendenzen innerhalb der größten polnischen Oppositionskraft, der rechtskonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Die Parteiführung um den ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski ließ am vergangenen Freitag eine Gruppe prominenter Parteimitglieder ausschließen, nachdem diese eine offene Debatte über die Ursachen der jüngsten Wahlniederlage forderten und eine Demokratisierung des Parteilebens anmahnten. Polen brauche eine Opposition, die sich »mit der Kontrolle der Regierung beschäftigt und nicht mit sich selbst«, begründete PiS-Sprecher Adam Hofman die Parteiausschlüsse gegenüber Medienvertretern.

Dabei galt insbesondere der nun ausgeschlossene 41jährige Zbigniew Ziobro als ein Hoffnungsträger der PiS, die unter der rasch voranschreitenden Überalterung ihrer katholisch-nationalistischen Wählerbasis und Parteiaktivisten leidet. Ziobro bekleidete in der PiS-Regierung zwischen 2005 und 2007 den Posten des Justizministers. Über die Popularität dieses Jungstars der PiS gibt auch sein sehr gutes Wahlergebnis bei den letzten Europaparlamentswahlen Auskunft, wo er den zweithöchsten Stimmenanteil aller polnischen EU-Abgeordneten erhielt. Neben Ziobro wurden auch Tadeusz Cymanski und Jacek Kurski ausgeschlossen, die ebenfalls Abgeordnete des Europaparlaments sind.

Bis zum vergangenen Mittwoch hatte Kaczynski den Dissidenten um Ziobro ein nicht befolgtes Ultimatum gestellt, die öffentlichen Rufe nach »Veränderungen« und einer »Demokratisierung« innerhalb der PiS einzustellen. Ziobro, der auch Vizevorsitzender der PiS war, sprach nach dem Ausschluß von einem »schlechten Tag für Polens Rechte«. Kurski verglich auf einer Parteisitzung die PiS wutschäumend mit Nordkorea, berichtete die konservative Nachrichtenmagazin Wprost.

Ausschlüsse unliebsamer Kritiker des Parteiführers Kaczynski sind in der PiS durchaus üblich. Zuletzt gründeten einigen PiS-Abweichler die Partei »Polen ist am Allerwichtigsten« (Polska Jest Najwazniejsza), die aber bei den letzten Wahlen an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Doch diesmal könnte Kaczynski bei der üblichen Entsorgung politischer Opponenten den Bogen überspannt haben, da auch viele konservative Unterstützer und Medien diese Entscheidung heftig kritisieren. Die Publizistin und Soziologin Jadwiga Staniszkis, die sich noch während des Wahlkampfes für die PiS engagierte, sprach im Zusammenhang mit den Parteiausschlüssen von einer »schockierenden Dummheit«. Die konservative Zeitung Dziennik veröffentlichte die Ergebnisse einer Blitzumfrage, der zufolge »70 Prozent aller Polen« den Abgang von Kaczynski wünschten.

Die Spaltung der konservativen Rechten in Polen könnte auch laut jüngster Wahlumfragen für die Abweichler von Erfolg gekrönt sein: Einer vom jugendlich wirkenden Ziobro angeführten Partei würden demnach an die neun Prozent der Wähler ihre Stimme geben, während die PiS auf bis zu 15 Prozent in der Wählergunst abgesackt ist.

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